Bob Dylan bedeutet mir sehr viel. Ich gehöre nicht zu seiner Generation. Und ich hatte noch nicht mal besonders 68er-mäßig bewegte Eltern. Aber sie wollten definitiv weg von der Beengtheit und dem Mief ihrer eigenen Jugend und waren zum Glück sehr aufgeschlossen für die Musik ihrer Zeit. Sie hörten Sachen wie Otis Redding, Steppenwolf, Canned Heat, Iron Butterfly — oder eben Bob Dylan. So kommt es, dass er mir sehr viel bedeutet.
So viel, dass es mich beinahe kränkt, wenn manche meiner guten Freunde sich jetzt weidlich darüber lustig machen, dass er den Literaturnobelpreis (endlich) erhalten hat. Pfffft! Ich finde diese Wahl genau wie der New Yorker „unambiguously wonderful“! Irgendwo habe ich heute im Radio gehört: „Nach all den hässlichen Tönen der jüngsten Zeit aus den USA wurde jetzt eine ihrer bedeutendsten Stimmen geehrt“. Nailed it!
Einige von Bob Dylans wegweisenden Platten, die seinen Ruhm begründet haben, standen bei uns zuhause im Regal (in schauderhaften Stoffalben, die mein Vater heute noch hat): Highway 61 Revisited (wie gerne würde ich diesen Highway einmal von Norden bis Süden bereisen!), Blonde on Blonde (im Jahr meiner Geburt erschienen) oder The times they are a changing.
Boby Dylan singt, ich lümmele auf dem Sofa und kaue auf den Songtexten rum
So haben mein Bruder und ich diese Musik quasi mit der Muttermilch aufgesogen. Ich kannte jeden Knackser auf den Dylan Platten. Besonders mochte ich den Titel „I want you“. Worum es dabei genau ging, wusste ich zwar nicht. Aber es musste irgendwas mit Liebe und Sehnsucht sein. 😉 Dass ich später so schnell und gute Englisch lernte, habe ich sicher auch Bob Dylan zu verdanken. Denn ich wollte immer verstehen, was er sang. Stundenlang lag ich auf dem Sofa und dachte darüber nach, was seine Texte wohl bedeuteten:
Nobody feels any pain
Tonight as I stand inside the rain
Ev’rybody knows
That Baby’s got new clothes
But lately I see her ribbons and her bows
Have fallen from her curls
She takes just like a woman, yes, she does
She makes love just like a woman, yes, she does
And she aches just like a woman
But she breaks just like a little girl
Dabei war ich allerdings nicht in Bob Dylan verliebt, was Patti Smith in diesem Interview unumwunden zugibt.
Einige seiner Alben hatten meine Eltern übrigens direkt aus den USA mitgebracht: 1967, als ich ein ganz kleines Baby war, lebte ich nämlich mit ihnen ein Jahr in Pensa Cola, Florida. Abgesehen von der Tatsache, dass ich dort den Familienchroniken zufolge beim Chillen mit Genuss eine riesige Küchenschabe (Cockroach) krachend verspeist habe, erschien in diesem Jahr unter anderem der Song „All along the Watchtower“:
https://youtu.be/TYJN79ePvhI
Natürlich hatten wir auch die Single von Jimi Hendrix zuhause, die tausend Mal berühmter wurde als die Version von Dylan, der den Song geschrieben hatte.
Dann kamen andere Zeiten, andere Musik. Aber Bob Dylan war irgendwie immer wieder dabei. Ich habe ihn über die Zeit mehrfach auf der Bühne gesehen. Zuletzt vor ein paar Jahren in München. Da hat „his Bobness” seine Musik wirklich so bis zu Unkenntlichkeit „verschraddelt” und so sehr genuschelt, dass es kurz schwer fiel, ihm treu zu bleiben. Aber genau das will er ja.
Dichter, Musiker und sogar Maler
Sogar einige Bilder habe ich von Bob Dylan. Denn er ist nicht nur ein Poet und ein Musiker — sondern sogar ein ganz passabler Maler. Diese BBC Doku von 1986 zeigt (ab ca. Min. 50), wie Bob konzentriert vor sich hin zeichnet, während der Reporter verzweifelt versucht, etwas Weltbewegendes aus ihm herauszuquetschen. Zum Beispiel, ob durch Dylan nicht etwas Größeres spreche, so wie es auch bei Schubert gewesen sei. 😉
Als er gefragt wird, ob er ein Dichter sei, bezeichnet sich der beträchtlich zugedröhnte Bob Dylan zu Beginn dieser Pressekonferenz im Jahr vor meiner Geburt als „Song and Dance Man”. Da hatte das Katz und Maus Spiel mit seinen Fans und Kritikern längst begonnen.
Ach ja, wegen Literaturnobelpreis und so: Literaturkritische Abhandlungen über Bob Dylans Texte gibt es zur Genüge — einige interessante Quellen finden sich beispielsweise in dieser Fotogalerie der SZ.
Weil Musik und Texte bei Bob Dylan untrennbar miteinander verbunden sind und durch ihn eben doch die musikalische Geschichte und die kollektiven Legenden und Storys der USA sprechen, möchte ich euch unbedingt noch die Theme Time Radio Hour mit Bob Dylan empfehlen. Wer sich die Musik anhört, die er als ein wirklich wunderbarer Moderator empfiehlt, versteht, in welcher großen Tradition er steht.