Gerade haben sich die europäischen Regierungschefs auf Malta getroffen. Dessen Hauptstadt Valletta wird 2018 übrigens Kulturhauptstadt sein, was ich eine nur bedingt verständliche Entscheidung finde. Der jetzt in Valletta beschlossene Zehn-Punkte-Plan ist aus meiner Sicht deprimierend, aber nicht wirklich überraschend: Die Festung Europa wird weiter ausgebaut, um Flüchtlinge aus Afrika wirksam fernzuhalten. Eine gemeinsame Flüchtlingspolitik in Europa oder ein Einwanderungsgesetz für Deutschland bleiben weiterhin ein Wunschtraum.
Weit über 10.000 Menschen sind seit 2014 auf der Flucht über das Mittelmeer ertrunken. In diesem Jahr waren es bereits mindestens 200. Und ein Ende dieser Tragödie ist nicht in Sicht.
Dieser #EU Deal, falls umgesetzt, wird auf jeden Fall Menschenleben kosten. @msf_de @Arjan_Hehenkamp https://t.co/LtkXejnRFX
— Florian Westphal (@FlorianWestphal) 4. Februar 2017
Die Frankfurter Rundschau schreibt heute: „Man muss die Tausende, die auf dieser Route bei der Flucht nach Europa ertrunken sind, dort (auf Malta) fast körperlich spüren.” Diese Formulierung trifft ziemlich genau das Gefühl, dass ich schon vor vielen Jahren (2009) bei einem Urlaub auf Malta hatte. Deshalb habe ich einen Blogpost wieder hervorgeholt, den ich im Oktober 2013 im Rahmen des „Blog Action Day” rückblickend über diese Reise geschrieben hatte.
Papstbesuch auf Lesbos: Paradebeispiel für schädliche PR
Vieles, was ich damals geschrieben habe, hat für mich weiterhin Geltung. Was den Papst betrifft, finde ich auch seinen Besuch auf Lesbos im vergangenen Frühjahr wenig hilfreich. Aus Sicht der Bewohner haben sich die wirtschaftlichen Verhältnisse auf der Insel seitdem weiter massiv verschlechtert. Touristen lassen sich kaum noch blicken. Und das obwohl das Reiseziel Griechenland im Trend liegt, seitdem die Türkei aus Gründen nicht mehr so angesagt ist. Seit kurzem gibt es beispielsweise keine Direktflüge Lesbos-München mehr.
Aber zurück zum Thema Malta. Meine damalige Hoffnung, dass sich die Dinge in Sachen „Festung Europa” zum Besseren verändern könnten, war wohl mehr als naiv und wurde komplett zerschreddert. Was ich seinerzeit beschrieben habe, waren sozusagen nur die Vorboten von noch viel schlimmeren Entwicklungen und Tragödien, die sich seither auf dem Mittelmeer abgespielt haben. Der Jesuit Refugee Service ist auf Malta glücklicherweise immer noch sehr aktiv. Was ich 2009 dort gehört und erfahren habe, hat sicher viele Jahre später dazu beigetragen, dass ich mich dort wo ich lebe für Menschen auf der Flucht eingesetzt habe. Mittlerweile sind viele von ihnen wieder weg — „weiterverteilt” in andere Unterkünfte oder abgeschoben. Mal sehen, wie es 2017 mit dem Thema weitergeht in Neubiberg.
Im Folgenden nochmal der Blogbeitrag, den ich 2013 geschrieben habe.
Blogbeitrag von 2013 über Malta und die Menschenrechte
Neulich auf Malle hatte ich überhaupt kein Problem, im Mittelmeer zu baden — und an Menschenrechte habe ich dabei erst recht nicht gedacht. Ich habe das Meer unheimlich genossen. Das Wasser war noch wunderbar warm und klar — trotz Oktober. Herrlich! Dann kamen, wie häufig im Herbst, die Meldungen aus Lampedusa. Dieses Mal schien das Ausmaß der furchtbaren Flüchtlingskatastrophe vor Europas Grenzen noch schlimmer. Vielleicht wurde das Thema aber nur verstärkt wahrgenommen, weil der neue Papst einige Zeit zuvor seine tolle PR-Nummer in Lampedusa abgezogen hatte (sorry, aber das ist meine Meinung dazu).
Mir fiel angesichts dieser schlimmen Nachrichten und Bilder unser Urlaub auf Malta vor einigen Jahren wieder ein. Abgesehen davon, dass ich Malta nicht mochte, war mir immer ein bisschen grusig, wenn ich schwimmen gegangen bin. Mir war jedes Mal klar, dass sich auch vor Malta laufend Flüchtlingsdramen abspielen — überfüllte Boote kentern, gehen unter, viele Menschen ertrinken dabei. Das ließ sich leider nicht verdrängen — trotz des angenehmen Hotellebens mit Halbpension (wie praktisch, dass Malle im Westen des Mittelmeers vermeintlich so weit weg ist von diesen Problemen…)
Zu Besuch beim Jesuit Refugee Service in Valletta
Die, die bei ihrer beschwerlichen Reise über das Mittelmehr nicht umkommen und Malta lebend erreichen, haben ein schweres Los. Die Malteser verfahren nicht zimperlich mit ihnen, während der Rest Europas einfach wegschaut und Malta sowieso höchstens von der total nervigen stundenlangen Punkteverteilung beim alljährlichen Sangeswettbewerb kennt. Die Flüchtlinge bzw. Asylsuchenden werden meist monatelang weggesperrt, können nicht arbeiten, leben wie im Gefängnis und entwickeln sogar Hospitalismus wegen der schlechten Behandlung. Menschenrechte? Fehlanzeige.
Wir sind damals auf Malta abseits der Touristenströme durch die Hauptstadt Valletta gewandert, die übrigens 2018 Kulturhauptstadt werden soll trotz der schlimmen Dramen, die sich jedes Jahr vor der Küste abspielen! Wir waren auf der Suche nach dem Jesuit Refugee Service. Dieser versucht, gestrandeten Flüchtlingen aus Afrika in ihrer misslichen Lage zu helfen, wo es geht.
Skelette in der Wüste
Das Gespräch mit dem zuständigen Jesuiten, der sich netterweise ein wenig Zeit für uns nahm, hat mich sehr beeindruckt. Er hat uns im Büro des Refugee Service einen langen Wandteppich gezeigt. Den hatten Flüchtlinge gemalt, die auf abenteuerlichen Wegen ganz aus Zentralafrika gekommen waren. Er zeigte die verschiedenen Stationen ihrer „Reise” — zu sehen waren auch menschliche Skelette, an denen sie in der Wüste vorbeigekommen waren. Das habe ich nicht vergessen.
Ich habe für den Jesuit Refugee Service gespendet, und das tue ich seitdem jedes Jahr. Auch wen es letztlich nicht viel hilft und schon gar nichts ändert. Ich freue mich aber vorsichtig, dass offenbar jetzt Bewegung in die Diskussion um die „Festung Europa” kommt, und bewundere Projekte wie „ein Leuchtturm für Lampedusa”. Ich möchte mein Know-how und meine Energie bald mehr für Projekte einsetzen, die sich mit dem Thema Menschenrechte befassen. Vielleicht ist die Arbeit in der Bahnhofsmission ein Anfang.
Heute ist Blog Action Day zum Thema „Human Rights”. Die fast schon traditionelle und weltweite Blogparade hat mich an mein Malta-Erlebnis erinnert. Danke dafür.