Heute bloggt bei mir Barbara Wankerl, eine liebe Freundin. Meine Gastautorin ist derzeit in Chicago, wo sie als PR Managerin der TU München am AAAS Annual Meeting 2014, dem Jahrestreffen des weltgrößten Wissenschaftsverbands AAAS, teilnimmt. Da Barbara auch eine passionierte Hobby-Schauspielerin und langjähriges Mitglied der Münchner Tollhaus Theater Compagnie ist, geht es in diesem Blogbeitrag um einen Theaterbesuch im winterlichen Chicago. Danke Barbara!
Ich wollte eigentlich was zum AAAS Meeting schreiben. Mache ich noch, aber hier erst mal ein Ausflug ins kulturelle Leben.
Chicago ist eine Theaterstadt. Wenn man von der Michigan Avenue nach links in die State Street einbiegt: Ein Theater, ein Box-Office nach dem anderen. Obdachlose Menschen betteln hier nicht einfach – nein, sie sammeln Geld für ihren Theatereintritt, der koste nämlich 11 Dollar und man habe erst 7 zusammen!
Ich war auf der Suche nach Karten für „Anna, in the Darkness“, einer Produktion des Dream Theater. Autor und Regisseur ist Jeremy Menekseoglu. Vor zwei Jahren haben wir mit dem Tollhaus Theater eines seiner Dramen, „Ismene“, gespielt. Sozusagen ein Pflichttermin.
Die gläserne Schreibwerkstatt
An der Scheibe des Ticketbüros klebt ein Zettel „Playwright at Work“. Ein Projekt, das junge Theaterautoren ins Blickfeld rücken soll. Ist in meinem Fall gelungen. Heute ist Brooke Allen die Autorin „bei der Arbeit“ — sie schreibt an einem Stück namens „The Deer“, das im April uraufgeführt wird. Brooke erzählt, dass an ihren „gläsernen Tagen“ nicht viel zum Schreiben kommt, weil immer wieder jemand vorbeikommt oder Freunde sie ablenken.

Stunden später am Dream Theater, im Nirgendwo von Chicago. (Später erfahren wir, dass das Viertel „Pilsen“ heißt): Bin mit zwei Kollegen unterwegs, wir wollen was essen — die Vorstellung beginnt erst um 10 pm. Es ist saukalt, zum Glück finden wir die Taqueria Maria, ein Mix aus Gemischtwarenladen, Diner und dem Wohnzimmer der Familie. Eine gastfreundliche mexikanische Mama, Oma in der Küche — cooler Laden, leider ohne Bier.

Das bekommen wir von (der echten) Anna Weiler-Menekseoglu, Jeremys Frau, im Dream Theater. Das ist der Aperitiv zum Psychothriller, der passenderweise im Keller des Theaters aufgeführt wird. Sehr herzlicher Empfang für mich, die Theaterkollegin aus München!
Anna, in the Darkness
Die Figur Anna, eine junge Lehrerin hat sich in ihrem Keller verbarrikadiert. Sie wird bedroht, Pflastersteine fliegen, Leute dringen in ihr Haus ein, hinterlassen Botschaften. Sehr beklemmend, erinnert an das Paar in Hoyerswerda, das von Neonazis bedroht wurde. Toll geschrieben und inszeniert von Jeremy, und unglaublich intensiv gespielt von Megan Merrill.

Chicago ist ein guter Platz für Subkultur, erzählt Megan auf dem Weg zurück zum Hotel (wir kriegen einen Lift). Viel Leerstand, gute Kulturförderung und ein Publikum, das experimentelles Theater schätzt. Chicago scheint ein gutes Pflaster zu sein. Vielleicht auch mal für ein Gastspiel?