Weil es so schön war, kommt meine Gastautorin, die Kommunikationsexpertin Barbara Wankerl, heute gleich nochmal hier auf Start Talking zu Wort. Sie berichtet vom AAAS Meeting 2014, das kürzlich in Chicago zuende ging. Danke für die Insights, Barbara!
Das AAAS Meeting 2014 (gesprochen Triple-A‑S) verabschiedet sich mit einem heftigen Schneesturm — die ganze Stadtsilhouette verschwindet im Flockenwirbel. Seit Anfang Dezember herrscht im Mittleren Westen der USA arktische Kälte. Das extreme Wetter, erklären Klimaforscher auf der Konferenz, ist die Folge des Klimawandels — meine persönliche Lieblings-Session, weil toll erklärt.
Verkürzt kann man sich das so vorstellen: Die Arktis erwärmt sich schneller als andere Regionen. Dadurch verlangsamt sich der Jet Stream in der Troposphäre. Zusätzlich beult sich das Windband auf seinem Weg von West nach Ost aus, es wird welliger.
Für das Wetter bedeutet das: Es bleibt buchstäblich stehen, es gibt über einen langen Zeitraum kaum Veränderungen, was man in diesem Winter gut sehen konnte: Der Norden der USA eisig, in England ständig Stürme und Überschwemmungen, in den Südalpen ein Tief nach dem anderen und über Oberbayern: Föhn und angenehme Plusgrade.
Dicht gepacktes Programm
Der Klimawandel war eines der großen Themen auf dem AAAS Meeting, das dieses Jahr unter dem Motto „Meeting Global Challenges: Discovery and Innovation“ stattfand. Offizielle Zahlen der weltgrößten Wissenskonferenz gibt es noch nicht, aber die Organisatoren rechneten mit etwa 8.500 Teilnehmern, und vermutlich waren davon etwa 20 bis 30 Prozent als Presse akkreditiert.
Leider habe ich nur einige der an die 250 Vorträge besuchen können, die in ungefähr 80 themenbezogenen Symposien gebündelt waren. Sehr gehaltvoll. Und wer wissen will, wie viele Tweets es gab oder einfach mal reinschauen möchte: #AAASmtg
Mehr aus Mais herausholen
Die TU München hat zwei dieser Symposien organisiert. Eines zu Mais, der mit 34 Prozent Anteil an der Gesamt-Anbaufläche weltweit die wichtigste Futterpflanze ist. Die Weltbevölkerung wächst, und in Schwellenländern ist Fleisch ziemlich angesagt. Was das mit Mais zu tun hat? Für 1 kg Hühnerfleisch braucht man 2,5 kg Mais, für Schwein und Rind je 6,5 bzw. 7 Kilo.
Biologen versuchen, das Getreide durch Züchtung mit genetischen Methoden zu verbessern. Sie stellen fest, welche Gene dafür sorgen, dass z.B. Mais in trockenen Regionen wächst, besonders ertragreich ist oder mehr Vitamine enthält. Wichtig: hier geht es nicht darum, Fremdgene in den Mais zu schleusen wie bei der aktuell diskutierten Sorte 1507, sondern die natürliche Vielfalt des Maisgenoms auszuschöpfen.
Tattoo mit Halbleiter
Das zweite Thema meiner Uni war Nanotechnologie: Wie kann man mit kleinen Strukturen mehr aus Solarzellen herausholen? Inzwischen gibt es Technologien, die z.B. mehr Licht oder auch die infrarote Wärmstrahlung einfangen.
Bald soll man sich Minichips auch auf die Haut kleben können, z.B. um Herz- oder Hinströme ohne aufwendige Technik zu messen. Voraussetzung ist, dass die Silikonhalbleiter kleben, biegsam sind und sich mit der Haut mitbewegen. Die Wissenschaftler um John Rogers packen Halbleiter dafür auf Kindertattoos. Hauchdünne Nanohalbleiter lassen sich auch biologisch abbauen — einfach einen Schluck Wasser drauf, und fertig. Großes Problem: die Kosten.
Datenberge machen Probleme
In vielen Symposien ging es um „Big Data“, Cloud-Lösungen und Datenintegration. Astronomen, Biomediziner, Hirn- und Klimaforscher produzieren Daten en masse — nur: Wie kriegt man die Daten aus der black box? Wie können sie mit anderen Daten vernetzt werden?
Beispiel „Human Brain Project“: Um das Gehirn irgendwann zu verstehen — direkte Experimente verbieten sich aus ethischen Gründen — speisen Wissenschaftler alle jemals zum menschlichen Gehirn publizierten Daten in komplexe Modelle. Ziel ist eine Art Gehirnatlas, in dem vom Gen über Synapsen und neuronalen Schaltkreise alle Funktionen kartiert sind. Bisheriges Budget: 54 Millionen Euro.
Mal wieder: die Pressemitteilung
Außerdem fanden Wissenschaftskommunikatoren und solche, die es werden wollen, einiges im Programm. Bereits einen Tag vor der Eröffnung gab es ein Seminar mit hochkarätig besetztem Panel. Botschaften an die PR-Gemeinde, aber auch die Journalisten:
- Zeitungen und der klassische Journalismus sterben auch in den USA aus
- Storytelling — Wissenschaft mit der Person des Forschers verbinden
- Konvergenz — Im Web kommt alles zusammen: Text (Beiträge, Tweets etc), Film und Foto
- Ein alter Hut, aber immer wieder aktuell: Pressemitteilung ja, aber nicht wenn sich jemand ein Sandwich schmiert (O‑Ton Paula Apsen @mamanova).
Fazit: Eine gelungene Veranstaltung, interessante Wissenschaft meist gut verständlich präsentiert (vor allem US-Wissenschaftler machen das extrem gut und professionell). Gute Möglichkeiten zum Netzwerken. Wermutstropfen: Die in Brauntönen gehaltene Location mit ihrer komplizierten Raumaufteilung. 2015 findet das AAAS-Meeting in San Jose statt — dann vermutlich ohne Eis und Schnee!
Und Barbara, fährst du nach San Jose? Bestimmt oder? 🙂
Hier gehts zu einigen Video-Aufzeichnungen vom AAAS Meeting