So kommen mir viele Menschen, die im öffentlichen Raum unterwegs sind, nach drei Wochen (teilweise erzwungener) mobiler Enthaltsamkeit vor. Wenn ich einsteige, starren in der Ubahn oder Sbahn gefühlte 80 Prozent der Mitfahrer auf ihr Smartphone. Wenn ich aussteige, sehe ich sie massenweise scrollend, tippend und extrem abwesend am Bahnsteig stehen.
Sogar auf der Straße wanken die Leute wie ferngesteuert herum, weil sie meinen, dringend noch diese Mail, jene Message lesen oder absetzen zu müssen. Im Büro muss man es ihnen explizit verbieten, sich in Meetings per Handy aus dem Gespräch wegzubeamen.
Solange ich noch den fremden Blick habe — ich merke schon wieder das vertraute Jucken in den Fingern, sobald ich irgendwo stehe und warte oder zu einem Ort unterwegs bin — kommen sie mir ein wenig wie Zombies aus The Walking Dead vor. Bald bin auch ich wieder ein Mobil-Zombie, der vor sich her starrend durch die Gegend torkelt und nur die Regungen seines Smartphones im Sinn hat. Horror!
Das Jetzt hat mehr zu bieten als ein Smartphone
Es sei denn, ich versuche immer wieder, das Jetzt wahrzunehmen. Übe mich in Achtsamkeit. Mache mir klar, dass ich gerade unbewusst bin und lege das Smartphone beiseite. Achte darauf, was genau dieser Moment um mich herum zu bieten hat — in der Ubahn, im Meeting, beim Warten irgendwo. Vielleicht einen singenden Vogel, ein freundliches Gesicht, einen Augenkontakt, ein Gespräch, eine interessante Situation?
Ein Leben ohne Smartphone bzw. virtuelle Kommunikation ist für mich schwer vorstellbar und auch nicht erstrebenswert. Aber ich mag mein Dasein nicht weggebeamt, ferngesteuert und zugedröhnt verbringen. Kennt ihr das auch: Nach einer Stunde am Smartphone, in der man kaum etwas um sich herum wahrgenommen hat, kann man sich ganz schön leer und ausgelaugt fühlen. Wie jemand, der plötzlich aufwacht, sich umschaut und denkt: Ach, das ist also die Welt!
Deshalb wünsche ich mir mehr Gegenwärtigkeit. Viel mehr Zeit und Ruhe, Gedanken zuende zu denken. Viel mehr Momente ganz OHNE Denken. Viel mehr (analogen) Austausch mit Menschen. Deshalb wünsche ich mir, dass ICH darüber bestimme, wie, wann und warum ich welches Medium und welche Technik nutze.
Barbara Schieche meint
„Wenn ich einsteige, starren in der U‑Bahn oder S‑Bahn gefühlte 80 Prozent der Mitfahrer auf ihr Smartphone.“ Von mir aus sollen es bitte 100 Prozent sein, zumindest am Morgen. Denn es nervt nichts mehr, als S‑Bahn-Konversation morgens um 7:30 Uhr: Schüler schimpfen über die doofen Lehrer, Angestellte über die blöden Chefs. Beziehungskrisen werden ebenso ausdiskutiert wie geplante Wochenendaktivitäten, Urlaubsreisen oder Autokäufe.
Ich will aber nur eins: MEINE RUHE! Daher sollte bitte, bitte JEDER in öffentlichen Verkehrsmitteln (zumindest am Morgen!) auf sein Smartphone starren. Traumhaft – so eine gequatschefreie S‑Bahn-Fahrt 🙂