Das vergangene Wochenende hat einmal mehr gezeigt, wie dringend wir auf eine digitale (Gegen)öffentlichkeit angewiesen sind, die Alternativen zum medialen Mainstream bietet. Bis die einschlägigen Online-Portale über die großen Demos in verschiedenen deutschen Städten zur unmittelbar bevorstehenden Abstimmung in Sachen EU-Urheberrechtsreform berichteten, floss nämlich verdächtig viel Wasser den Rhein hinunter. Bloß gut, dass es unabhängige Blogs wie Netzpolitik und Plattformen wie Twitter gibt. Die sorgen für Transparenz und Vielstimmigkeit, wenn andere aus Eigeninteresse schweigen, obwohl sie einen Informationsauftrag haben!
Großes Netzwerk dank Blog
Aber von Anfang an. Katrin Hilger hat zur Blogparade aufgerufen, um mehr Wertschätzung für Blogs einzufordern. Eine schöne Initiative! Schließlich gibt es Schätzungen, nach denen allein in Deutschland über 800.000 Blogs betrieben werden. Ich persönlich blogge seit über sechs Jahren auf Start Talking und habe davon immer nur profitiert – und das sowohl privat als auch beruflich. Mein (digitales) Netzwerk – ohne das Blog nur schwer denkbar. Dazu kommen immer wieder sehr gute Kontakte für mein Beratungsgeschäft – Stichwort Inbound Marketing.
Beziehungsstatus: Es ist kompliziert
Die Blogparade #Blogswirken hat insgesamt schon viele lesenswerte Beiträge gebracht, die jede Menge gute Argumente pro Blog bieten. Welchen sinnvollen Aspekt kann ich also beisteuern? Als Corporate Bloggerin der frühen Stunde fällt mir dazu die Frage ein, warum der Status zwischen Unternehmen und Bloggern häufig immer noch als „es ist kompliziert“ zu umschreiben ist? Für mein aktuelles Buch “Content Marketing mit Corporate Blogs”, das im kommenden Mai erscheint, habe ich eine umfangreiche Umfrage unter Blogmanagern von Corporate Blogs gestartet. Ein interessantes Ergebnis: Nur wenige davon haben das Thema Blogger Relations im Blick oder planen dazu etwas in nächster Zeit.
Dabei leben auch Corporate Blogs als ideale Drehscheibe zwischen Unternehmen und Social Web von der Vernetzung und dem Austausch! Es sei denn, sie verstehen sich als reine Content-Marketing-Plattformen, die mit einer guten Performance in den Suchmaschinenergebnissen zufrieden sind.
So profitieren Unternehmen von Blogger Relations
Lernen von den Profis. Gut vernetzte Corporate Blogger wissen: Neugier und Offenheit zahlen sich für das eigene Blog aus. Blogs lesen und abonnieren, auf Blogs kommentieren, Blogger kontaktieren und ins Gespräch kommen – das sind relativ niedrigschwellige Möglichkeiten, um die Welt des Bloggens kennenzulernen und besser zu verstehen. Auch der Besuch von bekannten Digital Events wie der „re:publica“ in Berlin oder von Barcamps ist hilfreich, um sich dem Thema anzunähern.
Neue Multiplikatoren gewinnen. Blogger können wertvolle Vermittler für die Inhalte von Corporate Blogs sein. Je nachdem wie einflussreich sie im Netz sind, sorgen ihre Empfehlungen für spürbar mehr Reichweite. Auch Kritik von Bloggern sollte von Blog-Verantwortlichen als Chance für einen Dialog gesehen und genutzt werden. So lassen sich langfristig mächtige Fürsprecher gewinnen, die sich auch in schwierigen Situationen wie einem „Shitstorm“ zu Wort melden und mit ihrer Meinung ausgleichend auf die Diskussionen einwirken können.
Mehrwert schaffen durch Expertenwissen. Fachliche Themen, Zusammenhänge und Entwicklungen werden heute immer schneller und komplexer. Kein Unternehmen kann für sich in Anspruch nehmen, das gesamte Know-how zu einem Thema zu besitzen. Vielmehr geht es darum, den ständigen Wissensaustausch mit anderen zu pflegen, um auf der Höhe der Zeit zu bleiben. Daher kann eine Zusammenarbeit, etwa mit einem spezialisierten Nischenblogger, nur ein Gewinn sein – für das Unternehmen wie für seine Leser.
Disziplin mit Fettnäpfchen
Wenn bloggende (oder auch nicht-bloggende) Unternehmen doch mit Bloggern zusammenarbeiten, kommt es immer wieder zu ähnlichen Missverständnissen und Fehlern. Gut eingeführte, erprobte und vor allem auch saubere Prozesse der Zusammenarbeit wie in der klassischen Öffentlichkeitsarbeit sind bei Blogger Relations immer noch nicht ganz selbstverständlich.
Und das, obwohl es sich um eine Disziplin handelt, die voller Fettnäpfchen steckt. Dazu ein klassisches Beispiel, das ich im Netz gesehen habe: „Schicke mein Angebot für ein Advertorial mit Werbekennzeichnung und No-Follow-Link. Kommt die Rückfrage, ob nicht ohne Kennzeichnung und mit Dofollow-Link möglich wäre …“
Die erste Forderung des Unternehmens ist schlichtweg illegal, da die betroffene Bloggerin das Advertorial kennzeichnen muss. Bei der zweiten Forderung geht es um das Thema SEO-Aufwertung der verlinkten Unternehmenspräsenz durch einen Backlink des Bloggers. Bezahlte Links auf Webseiten sollten jedoch laut Google als No-Follow markiert werden. Ein weiterer Grund, warum sich Corporate Blogger intensiv mit den Regeln und Gepflogenheiten in der Blogosphäre auseinandersetzen müssen.
Peanuts reichen nicht
Und dann ist da noch die Sache mit den Konditionen der Zusammenarbeit. Hier hat sich die Welt in den vergangenen Jahren definitiv weitergedreht. Doch etliche Unternehmen haben das offenbar noch nicht so richtig registriert. „Blogger Relations sind kein Kindergeburtstag mehr. Wer mit Peanuts bezahlt, erhält Monkeys“, sagt dazu Eduard Andrae, Gründer der Blog-Suchmaschine Trusted Blogs, die 2018 eine Studie zu Blogger Relations veröffentlichte. „Firmen und Agenturen sollten den Aufwand der Blogger anerkennen und entsprechend entlohnen. Dann erhalten sie auch die gewünschten Ergebnisse in diesem spannenden Kommunikationskanal.“
Erfolgsfaktoren für die Kooperation mit Bloggern
- Hören Sie genau zu: Recherchieren Sie sorgfältig, was Blogger interessiert und worüber sie schreiben.
- Sprechen Sie jeden Blogger individuell an: Fragen Sie, ob und wie sie kontaktiert werden wollen und welche Form von Input sie bevorzugen (Text, Bild, Video etc.).
- Bauen Sie Vertrauen auf: Seien Sie jederzeit hilfsbereit. Welche Art von Briefing benötigen die Blogger, um Ihre Story zu verstehen und darüber zu berichten?
- Machen Sie Ihre Ziele transparent: Was erwarten Sie von der Zusammenarbeit? Achten Sie darauf, dass Sie sich in dieser Frage einig sind.
- Schaffen Sie eine Win-win-Situation: Wie können Blogger von der Zusammenarbeit mit Ihnen profitieren? Was erwarten sie von Ihnen (beispielsweise exklusive Informationen oder ein Honorar)?
- Halten Sie sich an die Regeln: Unsaubere Kooperationsformen schaden nicht nur den Blogger, mit denen sie zusammenarbeiten, sondern letztlich auch Ihnen.
- Suchen Sie Inputgeber aus dem Unternehmen: Welche Ihrer Expertinnen und Experten können dabei helfen, Blogger mit den richtigen Infos zu versorgen?
Dieser Beitrag ist Teil einer Blogparade. Das ist ein Format, an das sich einfach mehr bloggende Unternehmen wagen sollten! Die wunderbaren Blogparaden, die Tanja Praske in Zusammenarbeit mit Museen auf die Beine stellt, sind ein gutes Beispiel dafür.
Fazit: Was Katrin Hilger sagt: Instagram und Youtube sind bei weitem nicht alles! Tauchen Sie ein in die unendlich vielfältige Blogosphäre, holen Sie sich neue Ideen und Inspirationen (z.B. beim Bloggerclub in München) für Ihr Corporate Blog und pflegen Sie mit den Bloggern stets gute Beziehungen auf Augenhöhe!
Bild: svennesvensson/Photocase