Drei vollgepackte Tage auf der re:publica 2014 in Berlin liegen hinter mir und damit viele Gespräche mit tollen Menschen, spannende Sessions und neue Eindrücke. Wie immer war es am Ende toll, wieder ein Teil des Happenings gewesen zu sein. Und wie immer totaler Information Overload! Mir schwirren einen Tag später so viele Gedanken und Ideen durch den Kopf, dass es wahrscheinlich nicht bei einem re:publica Blogpost bleiben wird.
Weil ich mich vor der re:publica gefragt hatte, warum ausgerechnet der David Hasselhoff als Top Act gehyped wurde und weil das Thema von vielen Besuchern, die ich getroffen habe, auch 2 Tage später noch diskutiert wurde, eine kurze Einschätzung aus meiner Sicht.
re:publica: Dschungelcamp für Internetfreaks
1. Aus Kommunikationsüberlegungen heraus scheint es legitim, dass F‑Secure für seine Keynote rund um Freiheit im Internet David Hasselhoff als “Botschafter” gewählt hatte. Das Kalkül, mit diesem Schachzug über die Netz-Bubble hinaus eine Reichweite für das Thema (und F‑Secure) zu bekommen, ist vermutlich aufgegangen. Ob ausgerechnet wegen Hasselhoff der neue Besucherrekord von 6.000 Menschen erreicht wurde, darf allerdings getrost bezweifelt werden (dass das erfahrene re:publica Team selbst von der Ankündigung überrascht worden sei, hat mich doch sehr verwundert).
2. Hasselhoff alias #thehoff hat sich wacker geschlagen, wirkte auf der Bühne neben Mikko Hypponen von F‑Secure aber etwas verloren, ja sogar teilweise ferngesteuert. David Hasselhoff weiß sehr gut, dass das Internet nichts vergisst. Ein peinliches Video, dass ihn in einem völlig betrunkenen Zustand zeigt, ist bis heute für jeden abrufbar. Seine Tochter hatte es aufgenommen und ist heute untröstlich darüber, dass es sich nicht mehr entfernen lässt, erzählte Hasselhoff freimütig. Dass das Publikum über diese tragische Geschichte lachte, war peinlich und zum Fremdschämen. Die Schuld daran tragen letztlich Kommunikationsstrategen, die meinen, sie könnten andere auf diese Art für ihre Sache einspannen und damit das Risiko eingehen, sie dem Spott der Menge auszusetzen. Dschungelcamp für Internetfreaks…
3. Bei allen guten Absichten: Sollte wirklich ein gewinnorientiertes Unternehmen, das unzweifelhaft von den derzeitigen Entwicklungen profitieren wird, ein Manifest zur digitalen Freiheit anstoßen, wenn das doch die ureigenste Aufgabe der re:publica Gemeinde gewesen wäre?
3. David Hasselhoff kann tatsächlich singen und besaß genügend Souveränität und Humor, eine Zeile aus “I’ve been looking for freedom” zum Besten zu geben. Love him for that! 🙂
Sehbefehl: Sascha Lobos Rede zur Lage der Nation
Nichts war dieser kleine Aufreger, der den “Mann oder die Frau auf der Straße” vermutlich ohnehin mal wieder nicht erreicht hat, im Vergleich zu Sascha Lobos Rede zur Lage der Nation. Der inoffizielle deutsche Internetminister (sic!) hielt seinen bislang staatstragendsten Vortrag und zumindest ich kam danach ziemlich klein mit Hut aus dem Saal. Mag sein, dass die re:publica am Ende doch nicht politisch genug war. Aber Saschas Appell hat hoffentlich die Kraft, über das Event hinaus zu wirken. Es geht jetzt tatsächlich um nichts weniger als um den Marsch in die Institutionen, um die (digitale) Demokratie zu erhalten und zu schützen.
Ich habe schon mal einen Anfang gemacht, indem ich jetzt regelmäßig Netzpolitik.org finanziell unterstütze.
Klar hat mir die re:publica Spaß gemacht. Aber in den Spaß mischte sich (leider) spätestens seit Juni 2013 der Ernst. Lasst uns erwachsen werden und wirklich den Gang in die Institutionen antreten — auch und vor allem jenseits von Twitter und Co.
Schluss mit der #hobbylobby, es steht für uns alle (auch die Netzskeptiker und ‑verweigerer) einfach zu viel auf dem Spiel!
Und hier noch der Serviceteil
Die Sessions der re:publica sind auf Youtube zu finden
3 Tage, drei Reader zur re:publica