Wie würdet ihr euch fühlen, wenn euer Blog von heute auf morgen und ohne euer Zutun aus dem Netz verschwindet? Unvorstellbar oder?!
Aber genau dieser Horror ist dem US-Autor Dennis Cooper passiert. Vor einem Monat war „DC’s Blog“, das laut NY Times seit 14 Jahren auf der Plattform „Blogger” lief, einfach weg, abgeschaltet. Auf die Nachfragen und Beschwerden von Dennis Cooper ist Google bis heute nicht eingegangen. Über den Fall hat auch die taz hatte in ihrer jüngsten Wochenendausgabe berichtet. Der Text „Abschaltung einer Welt“ von Clemens Setz ist jetzt auch online verfügbar.
Ich möchte in diesem Beitrag ausdrücklich nicht groß darüber sinnieren, ob es eine gute Idee ist, einer Cloud-Plattform wichtige (persönliche) Daten anzuvertrauen. Cooper hat es nun einmal getan und zumindest sein Fall zeigt, dass das leider riskant sein kann. Wenn ihr bei „Blogger” seid und euch nun mulmig ist, könnt ihr eure Inhalte sichern und woanders hinbringen. Eine Option, die Cooper gar nicht erst angeboten wurde…
Drei Dinge haben mich an dieser unglaublichen Story aufgeregt und bewegt:
1. Der Akt der Willkür: Eine privatwirtschaftlich geführte und extrem mächtige Internet-Plattform löscht einfach einen wesentlichen Bestandteil des Lebenswerks von Dennis Cooper. Der Schriftsteller hat bis heute keine Begründung dafür erhalten. Außer die dürre Aussage, dass er gegen die Teilnahmbedingungen von „Blogger” verstoßen habe. So sieht es also aus, wenn die Meinungsfreiheit in privaten Händen liegt und mit Füßen getreten wird. Wenn auf eine ominöse, intranspatente Weise bestimmt wird, was ins Netz gehört und was nicht. Roxane Gay von der New York Times formuliert ihre Ablehnung so: „I am all for conversations about art and its limits, but I do not want a corporation to be the arbiter of those limits.”
2. Die verpasste Chance: An guten Tagen entdecke ich im Internet neue und spannende Inhalte und Impulse. Diese müssen gar nicht unbedingt etwas mit meinen beruflichen Themen zu tun haben. Zum Beispiel eben Blogs von Autor/innen. Clemens Setz schreibt in der taz über DC’s Blog: „Der Blog war (…) meine Akademie. Das wichtigsten Museum in meinem Leben.” Als ich das las, war ich einfach traurig und auch wütend, dass ich selbst das Blog von Dennis Cooper nun nicht mehr werde erkunden und lesen können. Weil es unglaublicherweise aus dem Internet wegzensiert wurde.
Ein Leben ohne Blog wäre zwar möglich, aber sinnlos
3. Die große Bindung an mein eigenes Blog: Die Betreiberin des Bento Lunch Blog, deren Blog vor 2 Jahren ebenfalls gelöscht aber dann wiederhergestellt wurde, drückte ihre Gefühle so aus: „Es ist so, als würde ein Teil von mir ohne Vorwarnung einfach rausgerissen. Ziemlich schmerzhaft und man fühlt sich anfangs ziemlich hilflos.” Wenn mein Blog gelöscht würde, hieße das: Ich verliere rund 200 Beiträge, in denen mein Herzblut steckt. Das Archiv meiner Gedanken und Ideen rund um die digitale Kommunikation — aber auch anderer Themen, die mir wichtig waren und sind — wäre einfach verschwunden. Das wäre ein ziemlich brutaler Einschnitt für mich, da ich mich mit dem Start Talking Blog als Ort, an dem ich meine Gedanken ausdrücken kann, identifiziere. Um es mit Loriot zu sagen: „Ein Leben ohne Blog wäre zwar möglich, aber sinnlos.”
Wie ohnmächtig muss sich also derzeit Dennis Cooper fühlen, der seit 14 Jahren bloggte und sogar zwei digitale Romane auf seinem Blog veröffentlichte?