Die Allfacebook Marketing Conference in München hat es gezeigt: Vorbei sind die Zeiten, in denen manche große Hoffnungen auf einen Paradigmenwechsel in der Unternehmenskommunikation durch das Social Web setzten. Naja, viele hatten auch eher befürchtet, sie müssten grundsätzlich umdenken und wirklich clevere Kommunikationsideen haben, weil heute der Kunde (im Internet) das Sagen hat. Stattdessen: Money makes the world go round! CPF (Cost per fan) und Konsorten haben TKP, IVW und Co. einfach abgelöst. Thank goodness, auf diesem Terrain kennt man sich wenigstens aus!
Aller Unkenrufe zum Trotz ist Facebook zum neuen heiligen Gral der Online-Unternehmenskommunikation aufgestiegen. Die Mechanismen, nach denen die Fans nach ihrem Wert vermessen und “getargeted” werden, unterscheiden sich dabei nicht im geringsten von denjenigen der althergebrachten Werbung. Und Facebook bedient die verzweifelte Suche nach immer neuen Werbemöglichkeiten mit Feuereifer, was aus Mark Zuckerbergs Sicht ja nicht weiter verwunderlich ist. Es ist eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten: Denn schließlich müssen die Online-Werbe-Budgets ja auch irgendwohin, wenn Search Engine Marketing (SEM) nicht mehr so richtig funktioniert.
Facebook-Nutzer interessieren sich nicht für Marken
So geriet die Konferenz bis auf zwei unterhaltsame Praxiseinblicke von Lufthansa Cargo und O2 zum großen Schaulaufen der Agenturen, die den verwirrten aber werbewilligen Kunden Orientierung im Facebook-Dschungel suggerierten: Welche Anzeigen-Formate gibt es, wie groß sollten die Bilder sein, wann sollte gepostet werden, braucht man Tabs (nein, nicht die für die Spülmaschine!) ja oder nein, wie lassen sich Kampagnen erfolgreich fahren und auswerten, was wird FB in dieser Saison noch aus dem Hut zaubern und und und. Ausgerechnet der Vortrag, der das zugegebenermaßen abgelatschte Motto “Content is king” in den Mittelpunkt stellte, verlor sich leider im Abseitigen.
Verständlich, dass der Bedarf an Informationen über Social Advertising bei den Social-Media-Verantwortlichen groß ist: Die Nutzer interessieren sich nämlich leider nur marginal für Marken auf Facebook. Sie wollen, wenn überhaupt, Rabatte und Schnäppchen. Gerald Hensel (Scholz & Friends) wies in seiner Keynote darauf hin: Die sogenannte Engagement-Rate auf durchschnittlichen Fanpages mit 6000 Abonnenten liegt bei 0,7 (!) Prozent. Das sind circa 40 Menschen, die pro Post mit der Marke interagieren. Und dann ist da ja noch der blöde Edgerank… So wird das natürlich nichts mit der vielzitierten Reichweite. Aber die Rettung naht: Immerhin kommen Likes auf Marken-Seiten zu 75 Prozent über Werbung zustande. Also liebe Unternehmen, investiert einfach 25 bis 40 Prozent eures Budgets für “Paid Media” ein — dann wird das schon wieder, hieß es.
Zuviel Werbung auf Facebook? Kann sein…
Nachdenkliche Fragen gingen bei der Konferenz vor lauter Goldgräberstimmung leider unter. Beispielsweise erkundigte sich ein Kollege von einem wohlbekannten OEM aus Ingolstadt, wie er denn noch mehr FB-Budget bei seinen Vorgesetzten loseisen soll — mehr Fans und mehr Kommentare würden denen am Ende als Argument nicht reichen. Eine Kollegin vom Möbelhaus mit dem Elch fragte sogar vorsichtig, ob Facebook im Moment denn nicht etwas übertreibt mit seiner Werbung . Naja, ein bisschen viel sei es vielleicht schon, lautete die windelweiche Antwort.
Meinereiner drang mit der Frage, ob böse User-Kommentare wegen Werbung heute zur “collateral damage” gehören, auch nicht so richtig durch. Die Antwort auf meine Frage, welche Erfolgskriterien für B2B-Unternehmen auf FB gelten, war denkwürdig: B2B-Unternehmen müssten generell “mehr Ernsthaftigkeit” in ihre ROI-Überlegungen bezüglich Facebook stecken. B2C-Unternehmen etwa nicht?
“This journey is 1 % finished” — so lautet der Claim von Facebook. Na, da können wir uns ja noch auf einiges gefasst machen. 😉