Wenn sich Unternehmen auf Facebook & Co. engagieren, dann müssen sie sich entsprechend auf ihre Kunden einlassen. Sie sollten transparent und authentisch sein und Herzblut in die Sache investieren. Sonst sollten sie lieber die Finger von der Sache lassen. Dafür plädiert Hannes Schleeh in seinem Blogbeitrag “Geht der Hype vorbei — Social Media und die unerfüllbare Hoffnung”. Und er meint: “Nur wer eine Einstellung wie Steve Jobs hat, der immer nur gute Produkte machen wollte, denn Geld hatte er schon genug, brennt genügend, um seine Kunden davon zu überzeugen, dass er ihren Nutzen im Auge hat.”
Ich bin inhaltlich natürlich ganz bei Hannes Schleeh. Aber nach meiner jüngsten frustrierenden Erfahrung mit einem großen deutschen Telco-Anbieter, der mir wegen “Umbauarbeiten” einfach das DSL auf unbestimmte Zeit abdrehte und nicht in der Lage war, mit meinen Beschwerden professionell umzugehen, beschleicht mich einmal mehr der Verdacht, dass einige Unternehmen das nicht verstehen oder verstehen wollen und damit noch nicht einmal schlecht fahren. Das bedeutet: Sie betreiben Social-Media-Präsenzen (vermutlich, weil es ihre Mitbewerber auch tun) und bieten gleichzeitig mehr schlechten als rechten Kundenservice.
Die Rechnung dahinter scheint bei manchen Geschäftsmodellen, die auf Masse statt Klasse setzen, durchaus aufzugehen. Unzufriedene Kunden werden rasch und ohne großes Getue abgeschrieben, weil eine eingehende Beschäftigung mit ihren Problemen die Servicekosten zu sehr in die Höhe treiben würde. Schließlich kann man den einen verlorenen Kunden schnell durch zehn neue ersetzen, die laufend mit unschlagbaren Billig-Angeboten geködert werden.
Vor diesem Hintergrund nimmt man einen andauernden latenten Shitstorm auf der eigenen Facebook-Seite einfach in Kauf, denn dieser bewirkt ganz offenbar NICHT, dass die Geschäfte schlechter laufen. Vermutlich denken sich die Verantwortlichen: “Das versendet sich”. Ein Ausdruck dieser Haltung ist, dass Beschwerden, die am Wochenende im Web auflaufen, erst gar nicht bearbeitet werden. Denn das wäre schlicht zu teuer.
Selbstverständlich beschädigt ein solches Verhalten eine Marke auf Dauer enorm — aber der Laden läuft eben, solange die Kasse klingelt.
Ich würde mir wünschen, dass
1) Unternehmen sich genau überlegen, was sie im Social Web wirklich bieten können und was nicht. Denn mit einem vorgespielten Service-Angebot ist niemandem geholfen. Es ist genauso frustrierend wie eine Hotline, die nicht erreichbar ist.
2) Kunden noch viel mehr mit den Füßen abstimmen, wenn sie sich verladen fühlen und vermeintliche Schnäppchen lieber genau unter die Lupe nehmen, bevor sie zugreifen.
Denn am Ende kosten diese nämlich doch erheblich mehr als überzeugende, hochwertige Angebote von seriösen Anbietern: Zeit, Nerven, Scherereien oder sogar die Gesundheit (ich denke hier beispielsweise an Lebensmittel, die so billig sind, dass es bei der Produktion gar nicht rechten Dingen zugehen kann).
Klar ist: Durch die sozialen Medien kommen Missstände bei Unternehmen öfter ans Licht als früher. Aber hat das letzten Endes gravierende Auswirkungen auf ihren Geschäftserfolg?
Was meinen Sie dazu?
Meike Leopold meint
Hallo Herr Schleeh, danke für Ihren ausführlichen Kommentar. Sorry für die Falschschreibung, habe es geändert. 😉 Viele Grüße!
Hannes Schleeh meint
Wir befinden uns momentan noch ganz am Anfang von Social Media. Die meisten Firmen sind noch nicht für diese massive Marktveränderung aufgestellt. Daraus resultiert leider momentan noch, das dem Verbraucher ein Wechsel selten eine enorme Serviceverbesserung bringt. Aber das wird sich aus meiner Sicht bald ändern.
Neue und kleine Unternehmen können sich durch guten Service von der großen Konkurrenz absetzen. Irgendwann dreht sich das Ganze dann und es werden Firmen vom Markt verschwinden, die etwas anderes als den Nutzen ihrer Kunden im Blick haben.
Auch auf der Verbraucherseite muss sich der Machtzuwachs durch Social Media noch herum sprechen. Derzeit nutzen es noch zu wenige Menschen. Auch das erleichtert Firmen derzeit noch einen rüden Umgang mit Kunden.
Internetaffine Firmen überlegen es sich heute schon sehr genau, ob sie sich mit einem gut vernetzten Kunden anlegen. Oft übersehen sie dabei, das auch weniger einflussreiche Menschen mit einem sehr einflussreichen vernetzt sind, wie der aktuelle Fall von meinem Bloggerfreund Gunnar Sohn zeigt. http://goo.gl/G5g54
Ob es sich aber, wie Sie beschrieben haben, lohnt Kunden im Service zu vergraulen weil man leicht neue akquirieren kann, wage ich zu bezweifeln. Denn Akquise ist in den meisten Fällen teuerer als einen bestehenden Kunden zu halten. Ich denke das liegt mehr daran, das die meisten Unternehmen von Vertrieblern dominiert werden, bei denen Kundenservice ein reiner und nutzloser Kostenfaktor ist.
Eine Bitte habe ich noch. Schleeh schreibt man wirklich mit 2 “e” und einem zusätzlichen “h” am Ende. 😉
Gruß aus Aresing Ihr Hannes Schleeh
http://schleeh.de