Wer auf Firmen-Events oder Messen eine überzeugende digitale Live-Kommunikation bieten will, braucht viel Einsatz und Professionalität. Das Thema Planung und Vorbereitung von Live-Kommunikation habe ich hier auf dem Blog schon ausführlich vorgestellt. Im zweiten Teil geht es um das Geschehen vor Ort.
Ich freue mich, dass ich für diesen Part Christopher Becht als Interview-Partner gewinnen konnte. Christopher ist seit 2013 Digital Communications Manager bei der Würth Elektronik eiSos Gruppe und leitet ein dreiköpfiges Team. Dabei berichtet er direkt an den CEO.
Die mittelständische Elektronik- und Technologieunternehmen Würth Elektronik eiSos Gruppe mit Sitz in Waldenburg (Hohenlohe) ist eines der profitabelsten Unternehmen der Würth-Gruppe. Passive Bauelemente, E‑Mobility, Formel‑E und hochinnovative IoT-Projekte sind u.a. die Themen für die Kunden der Würth Elektronik eiSos. Die gesamte Würth Elektronik Unternehmensgruppe hat aktuell 8000 Mitarbeiter und meldete 2016 einem Umsatz von 785 Millionen Euro.
Bei der electronica 2016 in München haben Christopher Becht und sein Team bewiesen, dass sich digitale Live-Kommunikation auch in einem knallharten B2B-Umfeld lohnt.
Ziel für die electronica 2016: Aktivste Marke in den sozialen Medien
Christopher, auf der electronica 2016 in München habt ihr erstmals eine richtig umfangreiche digitale Live-Kommunikation gemacht. Warum ist die Messe so wichtig für euch?
Die electronica mit über 70.000 Fachbesuchern aus der ganzen Welt und knapp 3000 Ausstellern ist der Branchentreff Nummer Eins! Für uns geht es auf der Messe in erster Linie um die Pflege von Bestandskunden wie Elektronikentwicklern, mittelständischen Ingenieurbüros oder Key Accounts. Dazu kommt die Neukundengewinnung. Zudem sind viele junge Leute da, die gerade Elektrotechnik studieren und sich die potenziellen Arbeitgeber anschauen. Die wollen wir natürlich auch ansprechen, Stichwort Employer Branding.
Welche Ziele wolltet ihr auf der electronica erreichen?
Wir wollten das sichtbarste Unternehmen unter den 3000 Ausstellern werden. Wir wollten die Top-Meinungsführer und die aktivste Marke in den sozialen Medien sein, über die am meisten positiv berichtet wird. Natürlich wollten wir auch einen Dialog über unsere Services und Dienstleistungen mit unserer Zielgruppe führen. Deshalb gab es auch nichts, was nicht beantwortet wurde.Außerdem war es unser Ziel, über die Live-Kommunikation noch mehr Besucher an den Stand locken.
Twitter als wichtigster Social Kanal
Wie sah das Messe-Konzept aus?
Wir hatten einen 400 Quadratmeter Stand in Halle 2 und waren über die Messewoche hinweg mit ca. internationalen 420 Mitarbeitern vor Ort. Unser Leitmotto lautete: „We speed up the future“. Dahinter steckt unsere Technologie-Partnerschaft mit dem Team ABT Schaeffler Audi Sport, das an der noch jungen Formel-E-Rennserie teilnimmt. Wir haben das emotionale Thema Motorsport, nur eben vollelektrisch, bei unserem Auftritt in den Mittelpunkt gestellt. Das übergeordnete Thema ist hier letztlich auch die Digitalisierung.
Nutzen die Besucher der electronica überhaupt Social Media? Auf welchen Channels wart ihr aktiv?
Klar nutzen sie diese Channels! Wenn es um Technik geht, erreichen wir unsere Zielgruppen am besten über Twitter, das hatten wir schon auf der electronica 2014 festgestellt. Daher war Twitter auch 2016 für uns der Hauptkanal auf der Messe, um beispielsweise Aktionen und Präsentationen am Stand anzukündigen. Dazu kamen Facebook, Youtube, LinkedIn und Xing.
Wie groß war dein Kommunikations-Team vor Ort und wie waren die Aufgaben verteilt?
Insgesamt haben sich unter meiner Leitung vier Teams über vier Tage mit insgesamt zwölf Leuten um diese Themen gekümmert: Bewegbildproduktion, Livebildproduktion, Leadgenerierung via Formel E‑Rennsimulator sowie Social Media.
Live-Kommunikation: Vom Interview bis zum ersten Morgenkaffee
Was haben die Teams dann im Einzelnen gemacht?
Bei der Bewegtbildproduktion wurden um die 15 Interviews mit verschiedenen Vertretern der eiSos-Gruppe gemacht. Bei der Livebildproduktion wurde eine große Videowall von einem Kamerateam mit Themen rund um das Leitmotto „we speed up the future“ bespielt, auch Präsentationen wurden dort live angekündigt. Ein Highlight war sicher das Interview mit ABT Schaeffler Audi Sport Team und den Formel-E-Fahrern Daniel Abt and Lucas di Grassi. Die Wall hatte als optischer Teaser die wichtige Funktion, die Leute von den Gängen auf den Stand zu locken.
Insgesamt haben wir 760 Gigabyte Videodaten produziert! Später wurden aus dem Material u.a. auch Clips für Youtube produziert. In der klassischen Social Media Kommunikation war unser Team laufend am Stand und auf der Messe unterwegs, um die spontanen News einzufangen und zu posten. Beispiel: Einfach in die Erlebniswelt der User eintauchen und ein Foto vom ersten Morgenkaffee mit unserem freundlichen Standpersonal und den Hostessen in Rennanzügen am Stand posten. Das hat insgesamt einen Anteil von circa 30 Prozent ausgemacht.
User generated Content mit dem Formel-E-Race-Simulator
Und dann gab es ja noch eine ganz besondere Aktion?
Tatsächlich hatten wir einen echten Formel-E-Race-Simulator vor Ort. Im Vorfeld haben wir ein Gewinnspiel ausgelobt, für das sich die Teilnehmer vorher oder auf der Messe direkt anmelden konnten. Im Simulator haben die Teilnehmer vor dem Rennen als Goodie ein Bild von sich im Cockpit erhalten. Das konnten sie auf der Messe-Landingpage downloaden und dann in ihre sozialen Netzwerke teilen.
Der Clou: Dadurch konnten Fans und Follower via FanBoost wie in der richtigen Formel‑E die Zeit „ihrer“ Fahrer verbessern. Die drei Fahrer mit den meisten Stimmen bekommen während des Rennens einen Geschwindigkeitsschub. Der Hauptsieger beim Contest durfte sich über ein großes iPad freuen. Die Aktion kam sehr gut an und der Simulator war immer sehr gut besucht. Insgesamt haben ca. 300 Messebesucher bei dem Spiel mitgemacht, was uns eine große Reichweite und eine Menge User generated Content beschert hat.
Die Planung startete ein Jahr vor der electronica 2016
Welche Erfolge habt ihr erzielt und wie habt ihr sie gemessen?
Über den Dienstleister Radiosphere und das Tool Talkwalker hatten wir ein Event-Monitoring aufgesetzt. Wir haben tagesaktuelle Monitoring-Dashboards bekommen und laufend geprüft, wo wir stehen, wie wir performen und was wir eventuell verbessern müssen. 2016 sind wir mit unseren Twitter-Aktivitäten auf Platz 1 unter den aktivsten Marken der Messe gekommen. Auch alle anderen Channels waren jeweils unter den Top Fünf gerankt. Gemessen wurde zum einen unsere Aktivität, zum anderen aber auch das Engagement der User mit unseren Inhalten. Auch die Tonalität wurde geprüft – über uns gab es nur positive und neutrale Äußerungen.
Hattet ihr bei der ganzen Aktion Dienstleister mit an Bord?
Wir haben die Digital-Agentur Camao mit dabeigehabt. Sie hat uns komplett beim Thema Bewegtbildkommunikation und beim Race Simulator unterstützt – von der Konzeption bis zur Betreuung vor Ort. Die Live-Produktion lief über unseren Messebauer. Die Social Media Kommunikation vor Ort haben wir über unser eigenes Team abgedeckt.
Eine aufwändige Kommunikation mit vielen Beteiligten. Wann habt ihr angefangen, die Messe vorzubereiten?
Ein Jahr vorher. Generell sehe ich es so, dass die digitale Kommunikation so früh wie möglich in die Planung mit einbezogen werden sollte. Ich war von Anfang an in unserem internen Planungsgremium mit dabei. Bei der Vorbereitung hat mir natürlich auch die Erfahrung von der electronica 2014 geholfen. So konnte ich sehr viele Ideen zum Standkonzept mit einbringen, die dann auch umgesetzt wurden. Ich habe z.B. die Videowall und die Bewegtbildproduktion gefordert und durchgesetzt. Letztlich habe ich dann nicht nur die Social Media, sondern einen großen Teil der Messekommunikation übernommen. Dazu gehörte auch die Produktion von täglichen Messejournalen. Durch die positiven Erfahrungen auf der Messe sind wir mit dem Marketing übrigens richtig gut zusammengewachsen.
Drei Erfolgstipps: Gut planen, spontan sein, eng abstimmen
Gab es auch Pannen, aus denen ihr etwas gelernt habt?
Ja, beispielsweise war mein Kalender – als Übersicht der gesamten Kommunikationsaktivitäten – für die Messe definitiv zu vollgepackt. Manche Aktionen wie Interviews haben oft einfach länger gedauert, als geplant – auch wenn wir Texte oder Moderationskarten vorbereitet hatten. Nicht jeder kommt pünktlich oder ist ein Profi vor der Kamera. Manche Briefings funktionieren auch nicht so, wie man sich das vorher denkt. Hier hilft sicher noch mehr Abstimmung im Vorfeld.
Was sind deine drei Empfehlungen für eine erfolgreiche Social-Media-Kommunikation bei Events?
Erstens: 70 bis 80 Prozent der Content-Planung und ein Briefing sollten vorher stehen – das betrifft beispielsweise das Anteasern von Präsentationen oder die Vorbereitung von Interviews.
Zweitens: Die Spontanität nicht vergessen. Eine gute Planung und Inszenierung der Messe ist zwar ausgesprochen wichtig. Aber bei aller Inszenierung sollten die Inhalte authentisch rüberkommen.
Drittens: Die Abstimmung aller Beteiligten vor Ort ist wichtig. Beim Morgen-Briefing haben wir die Aufgaben verteilt. So wusste jeder, was wann zu tun war. Auch mit dem abendlichen Debriefing beim Essen haben wir gute Erfahrungen gemacht. Man wächst einfach zusammen.
Last but not least: Auch, wenn es stressig ist: Bleibt cool! Das ist nicht immer leicht. Gerade wenn die Geschäftsleitung danebensteht. Aber es ist wichtig und hilfreich, trotz der ganzen Hektik und Emotionalität Ruhe und Souveränität auszustrahlen.
Vielen Dank für das Gespräch, Christopher!
Das Interview mit Christopher zeigt: Mit einer Twitterwall ist es nicht getan, wenn man eine erfolgreiche digitale Live-Kommunikation auf Events anstrebt. Vielmehr ist eine gründliche Planung im Vorfeld die halbe Miete. Teilweise müssen dabei auch Kompetenzen integriert werden, die in vielen Unternehmen noch im Aufbau sind – etwa bei der Live-Kommunikation über Videos. Auch ein gutes Teamwork ist bei einer intensiven Zusammenarbeit über mehrere Tage und mehr oder weniger rund um die Uhr unerlässlich.
Bilder: Würth Elektronik eiSos Gruppe