Auf der Rückfahrt von der dmexco fand ich folgendes Zitat von Heidrun Haug, Gründerin und Geschäftsführerin von Storymaker, im PR-Journal: “Es ist immer wieder zu beobachten, dass PR-Agenturen ein gering entwickeltes Selbstbewusstsein an den Tag legen und sich in den Schatten von Marketing und Branding ducken. Seit Marketing den Content entdeckt hat, ist das nicht gerade besser geworden.”
Diese Anmerkung (die sicher nicht nur Agenturen betrifft, sondern die PR-Branche insgesamt) passte gut zur Diskussion, die ich mit Markus Pflugbeil, den ich sehr schätze, auf der dmexco geführt habe. Unser Gespräch beim Kaffee drehte sich mehr oder weniger um die Frage, ob sich die PR vom Marketing allmählich so richtig die Butter vom Brot nehmen lässt (von wegen es wächst zusammen, was zusammen gehört).
Ein Gedanke, der angesichts der boomenden dmexco mit Themen wie Performance Marketing oder Marketing Automation nicht gerade abwegig scheint. Kommt es manchem Kommunikator wie mir in Köln doch so vor, als ob das gute alte einseitige Kanaldenken im Marketing wieder voll hoffähig geworden sei.
Vielleicht war es aber auch nur zeitweise etwas in den Hintergrund geraten, solange der beginnende Siegeszug der sozialen Medien noch mit Hoffnungen auf Dialog und mehr Transparenz verbunden war — nicht nur aus Sicht der Early Adopter unter den Unternehmen, sondern auch der sozialen Netzwerke selbst, die heute jedoch fleißig daran arbeiten, endlich Geld zu verdienen — koste es was es wolle.
Auf der dmexco wirken Träume von Transparenz und Dialog deplaziert
Diese Hoffnungen wirken im Rückblick geradezu naiv angesichts des heutigen Big-Data-Echtzeit-Customer-Journey-Marketings, bei dem es im Kern darum geht, den (potenziellen) Kunden niemals aus den Augen zu verlieren, immer wiederzuerkennen und entsprechende Angebote zu machen — egal, wann, wie oder wo er mit Unternehmen in Kontakt tritt.
Aber zurück zur PR. Markus hatte sich auf dem Dampflog gerade mit der Frage auseinandergesetzt, ob die PR auch SEO können müsse und dies verneint. Die Aufgabe der PR bestehe nicht darin, SEO-gerechte Pressemitteilungen zu schreiben, sondern sich um Influencer und Multiplikatoren zu kümmern. Ein besonders schönes Zitat: “Liebe SEO-Spezialisten, schraubt ihr weiter an den Webseiten, wir kümmern uns um die, die das Internet mit Leben füllen”.
Ich bin völlig deiner Meinung, Markus. Dennoch lässt es sich nicht verleugnen, dass die ganze Automatisierungs‑, Optimierungs- und KPI-Verliebtheit des digitalen Marketings, dessen Protagonisten sich auf der dmexco in Köln jährlich ein Stelldich geben, schon längst in die PR hinübergeschwappt ist und diese vermutlich immer häufiger in die die Defensive bringt.
Auch wenn sich die PR weiterentwickeln muss, um relevant zu bleiben: Sie hat es nicht nötig, ihr Licht unter den Scheffel zu stellen. Im Gegenteil:
- Die PR beherrscht den Aufbau und die Pflege von Beziehungen mit Stakeholdern, deren Meinung für das Unternehmen Bedeutung und Gewicht hat — diese Arbeit verlagert sich “nur” immer stärker ins Internet.
- Vernünftige Inhalte (“Content”), beispielsweise in einem Corporate Blog aber auch auf der Website oder in den Social Media, kann es nur geben, wenn es eine umfassende Kommunikationsstrategie gibt, auf deren Basis dieser Content erstellt wird. Und diese Strategie liegt (hoffentlich) in der Hand der PR.
- Die Ansprache von Kunden, etwa im E‑Mail-Marketing, sollte jederzeit professionell, zielgruppengerecht und “on message” sein. Auch das geht nicht ohne die Guidance von Kommunikationsprofis.
- Kommunikationskrisen sind in der Struktur von Marketing-Kampagnen nicht vorgesehen. Aufkommende Krisen zu erkennen, etwa per Social Media Monitoring, und vor allem zu bewältigen ist Aufgabe der PR.
Vielleicht fallen euch noch andere Beispiele ein oder ihr seid völlig anderer Meinung? Dann kommentiert einfach unter dem Blogpost, ich freue mich auf eure Anmerkungen.
PS: Da die PR nicht annähernd so toolgetrieben ist, gibt es auch keine vergleichbare “Show” wie die dmexco in diesem Bereich. Ich finde auf jeden Fall, dass jeder, der in der PR tätig ist, die sehr professionell gemachte und lebendige dmexco einmal erlebt haben sollte!
t3n Rückblick: Zwischen Conversation und Conversion steht ein @
Wie die Kommunikationsbranche die dmexco ignoriert
Bild: dmexco
Marko meint
Letztendlich ist die Diskussion müssig — allenfalls für Dienstleistungsanbieter, die Wert drauf legen als A und B bezeichnet zu werden. Versteht man Marketing als “marktorientierte Unternehmensführung”, dann ist PR sowieso ein Teil des Marketing. Letztendlich ist es aber egal, wie etwas heißt. Es kommt drauf an, die kundenspezifisch richtigen Instrumente einzusetzen. Vollkommen egal, ob die Marketing Leute dann “Content Marketing” und die PR-Leute “zielgruppenspezifische Inhalte” zum gleichen sagen 😉