Vor bald acht Jahren schaltete ich morgens im Büro meinen Rechner an und besuchte erst einmal unser frisch gelaunchtes Unternehmensblog. Dort entdeckte ich einen reichlich muffeligen Leserkommentar: “Mit der Lektüre dieses Beitrags habe ich gerade fünf Minuten meines Lebens verschwendet!”
Mir fiel beinahe die Kaffeetasse aus der Hand! Der Kommentar stand nämlich ausgerechnet unter dem ersten Blogpost unseres CEO. Gut, er hatte zugegebenermaßen einen etwas drögen Stil — aber immerhin schrieb er selbst! 😉 Er hat die Sache glücklicherweise mit Humor genommen und auch fleißig weitergebloggt.
Leserkommentare: Aus für die einseitige Beschallung
Sicher verstehen alle Firmenblogger, besonders die der ersten Stunde, wie ich mich damals gefühlt habe. Einerseits war es faszinierend zu sehen, dass unsere Beiträge tatsächlich gelesen und kommentiert werden. Andererseits war die Einlassung des Lesers nicht sehr schmeichelhaft. Mir war leicht mulmig zumute, denn ich wusste nicht, wie die Reaktion unseres Chefs ausfallen würde, und wie ich ihm die Sache “verkaufen” soll.
Der Start des Blogs markierte für alle in meinem damaligen Unternehmen den Beginn einer steilen Lernkurve. Das galt nicht nur für uns. Mit den Leserkommentaren auf Corporate Blogs und sehr bald auch auf den sozialen Netzwerken waren für alle Firmen, die sich an das Thema heranwagten, die Zeiten der einseitigen Beschallung von “Zielgruppen” endgültig vorbei. Es gab nun einen direkten Rückkanal zum Unternehmen — und der wurde tatsächlich genutzt. Ich glaube, diesen Paradigmenwechsel haben manche bis heute nicht verdaut.
Warten auf Kommentare wie auf Besuch zu Weihnachten
Und wie schaut es jetzt aus? Ein Blick auf die deutschen Online-Medien zeigt, dass der einst so gefeierte Rückkanal für sie zum Albtraum geworden ist. Der Umgang mit den Rückmeldungen der Leser wird immer schwieriger und aufwändiger — spätestens seit den massiven “Hate Speech” Shitstorms rund um das Flüchtlingsthema. Manche Publikationen sperren ganze Themenblöcke für Kommentare und/oder machen ihre Foren über Nacht grundsätzlich dicht. Nur wenige gehen gegen diesen Trend, setzen aber gleichzeitig auch auf Techniken wie Texterkennung, um unliebsame Beiträge automatisch löschen zu können. Auch in den USA scheint die Zeit der Leserkommentare zuende zu gehen bzw. man experimentiert mit neuen Formen des Online-Feedbacks.
Und was tun die Unternehmen? Sie warten auf Kommentare wie Opas auf Besuch zu Weihnachten. Leserreaktionen auf Firmenblogs? Fehlanzeige. Viele Blog-Verantwortliche können sie an einer Hand abzählen, wenn die Woche rum ist. Leider gilt das häufig auch für die sonstigen Hochglanz-Auftritte auf Facebook und Co. Deshalb hat es keinen Sinn, sich damit zu beruhigen, dass die Gespräche heute nun mal im Social Web stattfinden und nicht auf den Webseiten von Unternehmen.
Oder noch besser: Die Kommentarfunktion auf dem Firmenblog gleich auszuschalten, weil die doch ohnehin nicht genutzt wird. Damit macht man es sich nur scheinbar leichter. In Wahrheit bedeutet das die Rückkehr zu endgültig überholten Verhaltensweisen in der Unternehmenskommunikation. Und es ist eine Kapitulation vor einer Herausforderung, die große Chancen beinhaltet.
Das schlimmste Feedback ist das, das nicht ankommt
Denn eine Marke funktioniert heute (im digitalen Raum) nur über ihre Rezipienten. Was heißt das etwa für die Disziplin des “Content Marketing”? Ganz einfach: Nicht nur Visits, sondern auch Likes, Shares und vor allem Kommentare sind ein wichtiger Indikator dafür, ob ein Unternehmen die Leute mit seinen Inhalten erreicht.
Wenn meine Kunden mich also fragen, wie sie mit kritischen Kommentaren umgehen sollen, antworte ich ihnen: Freut euch, dass sich jemand die Mühe macht, euch ein Feedback zu geben! Hört zu und macht etwas draus! Investiert in eine aktive Community rund um euren Content, statt nur den Klick- und Downloadzahlen hinterher zu laufen. So könnt ihr mit Hilfe eurer Leser immer bessere Inhalte liefern, was wiederum auf eure Ziele einzahlt. Denkt gerne auch über andere Formen des Feedbacks wie beispielsweise Experten-Chats nach. Aber bleibt bitte im Gespräch und gebt niemals den Anspruch auf, die Barrieren zwischen euch und denen “da draußen im Internet” abzubauen.
Fazit: Für Unternehmen birgt ein lebendiger Dialog mit Lesern, Fans und Followern im Internet riesige Chancen. Aber diese Gespräch entsteht nicht von selbst. Die ideale Basis dafür ist eine Kombination aus professionellem Content und Community Management.
Lesetipps zum Thema Leserkommentare
Der Knalleffekt ersetzt die Erkenntnis
Meike Lepold says
Liebe Meike
Danke für den Link zu unserem Blog Eintrag HR Blogs — Kommentare.
“Freut euch, dass sich jemand die Mühe macht, euch ein Feedback zu geben! Hört zu und macht etwas draus! Investiert in eine aktive Community rund um euren Content, statt nur den Klick- und Downloadzahlen hinterher zu laufen.”
Das obige Quote ist natürlich super. Sagt es ganz klar. Danke, annehmen, lernen, besser machen. So einfach ist es mit den Kommentaren. Aber eben, nur wenn man weiss wie es geht 🙂
Frohe Festage Meike
Grüessli Urs
Sven Lennartz says
Hallo Meike,
Firmenblogs sind oft langweilig, zu trocken, zu vorsichtig geschrieben. Da denke ich dann, da müsste mehr Verve und Engagement rein. Die Firmen haben in der Richtung vielleicht sogar etwas zu bieten, aber trauen sich nicht, wollen sich nicht zu weit vorwagen, seriös bleiben, keinen vergrätzen … so schreibt man dann zwar korrekt, aber dröge.
Ansonsten volle Zustimmung. Man sollte sich nicht entmutigen lassen. Nicht locker lassen. Mehr riskieren. Kriegt man die Kommunikation hin, ist das eine tolle Sache!
Meike Leopold says
Hi Sven, du hast vollkommen recht, die meisten fahren mit angezogener Handbremse, indem Sie 1000e von Freigaben vorschalten oder einfach nicht die Guts haben für guten Content. vg,g Meike