“Corporate Blogs funktionieren nicht!” Ein Zwischenruf, der immer wieder von Kollegen aus der Kommunikation kommt. In der vergangenen Woche von Christian Henne. Ein guter Debattenbeitrag, finde ich. Denn der Frust, den viele Blog-Verantwortliche in der täglichen Arbeit haben, sollte klar benannt werden. Das kann mitten im herausfordernden Projekt “Corporate Blog” helfen, das eigene Unbehagen zu benennen und in der Draufschau neue Ansätze zu finden, das Firmenblog erfolgreicher zu machen.
Für mich heißt das aber nicht, dass man das Kind mit dem Bade ausschütten und ein Kommunikationsmittel grundsätzlich in Frage stellen sollte, das für Unternehmen so viel Potenzial birgt. Aus meiner Sicht besteht die Kunst darin, die Weichen für den Erfolg eines Corporate Blogs von Anfang an richtig zu stellen. Diese Weichen lassen sich auch “on the fly” noch neu justieren, wenn es erforderlich wird. Dafür braucht es Geduld und einen langen Atem.
Basis: Durchdachtes Kommunikationskonzept
Viele Corporate Blogs werden intern als “Gesicht der Marke” und als wichtige Dialog-Plattform verkauft, aber genau deswegen sicher auch von einigen (heimlich) belächelt. Man denke nur an den Vertrieb: Für den sind das häufig Marketing-Phrasen und Pipifax. Geltung haben nur harte Fakten. Deshalb hat Christian Henne absolut recht, wenn er sagt, dass Kennzahlen hermüssen, die den Mehrwert von Firmenblogs nachweisen. Kennzahlen lassen sich jedoch nur auf Basis von Kommunikationszielen entwickeln, die VOR dem Start des Blogs klar definiert und intern abgestimmt werden (und bei Bedarf auch angepasst!). Dabei muss grünes Licht von “ganz oben” eingeholt werden, sonst bleiben Corporate Blogs die unverstandenen Waisenkinder in der Unternehmenskommunikation.
Aus den Kommunikationszielen sollte sich dann unter anderem auch ableiten lassen, ob genügend Inhalte für das Corporate Blog vorhanden sind. Ich bin übrigens der Meinung, dass es für jedes aber auch JEDES Thema Unmengen von Aufhängern für Bloginhalte gibt — und wenn es sich nur um eine ganz bestimmte Schraube handelt, die vermarktet werden soll! Was bringt die Nutzung dieser Schraube, wer hat damit was zusammengeschraubt etc. etc. Genau das ist auch der Dreh in der B2B-Kommunikation: Immer von der Zielgruppe und vom Business-Nutzen her denken, nicht vom Produkt! Dann sprudeln die Ideen für Blogposts von alleine.
Und von wem kommen die Inhalte für das Corporate Blog? Das Blog-Konzept sollte selbstverständlich auch die Grundsatzentscheidung enthalten, ob der Content AUS dem Unternehmen kommt oder an einen Dienstleister delegiert wird. An dieser Entscheidung hängt sehr, sehr viel: Soll das Corporate Blog einen Beitrag dazu leisten, die interne digitale Transformation voranzutreiben und die Mitarbeiter als Markenbotschafter und Experten aktiv in die Kommunikation mit einzubeziehen oder soll es eher als als im Auftrag produziertes Online-Magazin zu den Zielen beitragen?
Stichwort Spezialthema (@Christian) : ein hervorragendes Beispiel für ein outgesourctes Corporate Blog mit starkem Fokus auf Themen ist die Seite Cancom.info.
Corporate Blogs eng mit der gesamten Online-Kommunikation verzahnen
Ein gravierender Geburtsfehler vieler Corporate Blogs besteht darin, dass sie viel zu getrennt von der übrigen Webkommunikation gedacht und geführt werden (technisch, strukturell, inhaltlich). Denn eigentlich müssten sie vom Prinzip her das Zentrum der Web-Kommunikation bilden, ja die Website SELBST sein. Ein Projekt wie das Online-Magazin von Coca-Cola, das Christian erwähnte, weist den Weg in diese Richtung.
Wenn es der Begriff “Blog” ist, der diese Trennung verursacht (häufig liegt diese auch in der historisch entstandenen Verteilung von Aufgaben begründet: Hier die Webtruppe, da sind die PR- bzw. Social-Media-Leute), müssen Unternehmen in ihrer digitalen Content-Strategie eben neue Wege gehen, um die Vorteile des Bloggens — Türöffner zur Marke, Online-Dialog, agiler Content, Expertenwissen — zu erhalten und weiterzuentwickeln. In der B2B-Kommunikation etwa würde das bedeuten, dass das “Blog” beziehungsweise seine klassischen Top-of-the-funnel-Inhalte ein relevanter und integraler Bestandteil der digitalen Customer Journey sind und entsprechend eingebunden werden.
Beispiel: Ein potenzieller Kunde kommt via Suchmaschine auf die Landing Page eines Anbieters, von dem er vorher noch nie gehört hat. Dort wird ihm ein Produkt angeboten, dessen Vorteile er mittels Download eines E‑Books erfahren kann. Nach genau 2 Sekunden verschwindet der Besucher wieder, weil er 1. das Unternehmen nicht kennt, 2. der Mehrwert des Angebots sich ihm nicht auf Anhieb erschlossen hat und 3. nicht gleich seine Daten hinterlassen wollte.
Eine unmittelbar auf der Seite oder über die Seite zugängliche Themenwelt rund um das Angebot, etwa in Form von weiterführenden Informationen zum Unternehmen selbst oder dem Nutzen des Produkts anhand konkreter Beispiele, hätte ihn vielleicht länger auf der Seite gehalten und sein Interesse geweckt. Diese Funktion könnte ein sorgfältig geführtes “Blog” oder Online-Magazin übernehmen, das eng in die Website und deren Unterseiten eingebettet ist. Dazu gehören Kontakt- und Dialogangebote, die direkt im Kontext mit den Inhalten stehen. Ob und wie das Ganze am besten funktioniert, lässt sich online ja bestens untersuchen und tracken.
Auf diese Weise erhält das Corporate Blog eine sinnvolle Funktion und Aufgabe innerhalb der Content-Strategie, ohne als Leadgenerierungs-Instrument missverstanden oder missbraucht zu werden. Denn eines ist klar: ein Unternehmensblog, dass mehr oder weniger unterschwellig “Kaufstress” erzeugt, kann gleich dicht machen.
Langfristiges Projekt, das Einsatz und Agilität erfordert
In vielen Unternehmen ist die Bereitschaft, langfristige Kommunikationsprojekte zu starten und diese nicht gleich beim ersten Hindernis über Bord zu werfen, nicht gerade hoch. Ich will damit nicht sagen, dass man ewig Geld und Aufwand in ein Corporate Blog stecken sollte, wenn es nicht ins Laufen kommt. Der Nachweis, dass es performt oder nicht performt, lässt sich allerdings nur über einen durchdachten Kommunikationsplan mit entsprechend hinterlegten KPIs führen. Und wenn die Zahlen nicht gut sind, gibt es immer noch die Möglichkeit, nach Gründen dafür zu suchen und entsprechende Gegenmaßnahmen zu ergreifen, statt gleich das nächste Projekt zu starten und den bisherigen Invest einfach unterzupflügen.
Wer langfristig auf das Thema Content Marketing und Kundendialog setzt, sollte daran eigentlich nicht scheitern.
Weitere Beiträge zum Thema Corporate Blog auf Start Talking
Und ein Unternehmensblog machen wir auch noch
Lars Hahn meint
Als kleines 16-Personen-Unternehmen haben wir vor einem Jahr unser Blog gestartet. Wobei: Bereits seit 7 Jahren hatten wir einen aktiven News-Bereich, der bereits viel nutzbaren Content beinhaltete.
Unser Problem: Wir wissen gar nicht, wie wir den ganzen Content verarbeiten können, den wir hätten. 😉
Gerade weil wir klein sind, ist das Blog Kern unserer Kommunikation. Und zwar als Expertenblog mit hohem Nutzen für unsere potentiellen Kunden. Tipps und Ratgeber funktionieren wirklich! Das sogar ganz ohne den angesprochenen Kaufstress.
Meike Leopold meint
Das finde ich ja klasse, Herr Hahn! Vielleicht bloggen Sie mal drüber, damit der Skeptiker-Fraktion ein wenig der Wind aus den Segeln genommen wird und viele Blogger ermutigt werden? 😉 VIele Grüße und danke für den Kommentar!
Lars Hahn meint
Danke. Just gestern kam ein “Auftrag” über unsere Social Media-Strategie zu berichten. Daraus ließe sich dann ja prima ein Artikel bauen. Ich lasse es Sie wissen, wenn er online ist. 😉
Jochen Mai meint
Volle Zustimmung. Vieles hängt auch mit dem mangelnden Wissen um Blogs und dem Begriff selbst zusammen. Da existieren teils noch völlig überholte Vorstellungen von einem Corporate Tagebuch.
Wofür das Blog vor allem steht, sind inhaltliche Tiefe, Relevanz, Interessanz — vor allem aber für ein Bestandswert. Auch wenn ich damit latent wie ein Bausparkassenberater klinge, der Vergleich passt:
Auf Facebook, Twitter & Co. sind Unternehmen nur Mieter (mit entsprechenden Einschränkungen und Auflagen), im Blog sind sie Eigenheimbesitzer.
Wer nach dem ROI fragt, muss auch in Alternativen denken. Und was ist wohl die bessere Geldanlage: Mieten oder Bauen?
Christian Buggisch meint
Volle Zustimmung.
Meike Leopold meint
Danke für die freundliche Erwähnungen Stephan! Jetzt weiß ich auch, wer hinter LinkedInINsiders steckt 🙂