„Wie übertünche ich Sorgenfalten?“ Ein topaktuelles Thema für Youtube-Schminktipps. Denn den sogenannten Influencern weht ein eisiger Wind ins Gesicht. Erfolgreiche Protagonisten wie Bianca Heinicke sind bereits etliche Male im Zusammenhang mit dem Vorwurf der Schleichwerbung ins Visier der Medien geraten, zuletzt hat es Caro Daur getroffen. Über die Tonalität des Interviews oder über die Frage, ob die Journalistin mit einem männlichen Influencer anders umgesprungen wäre, lässt sich trefflich debattieren.
Fest steht: In der Kommunikationsbranche wird das Thema seit längerem auf und runter diskutiert. Man munkelt, dass es mit dem Influencer Marketing bald ein böses Ende nehmen könnte. Dabei ist die Lagerbildung unter den Experten nicht immer ganz übersichtlich. Schließlich geht es mittlerweile um sehr, sehr viel Geld, das nicht zuletzt in die Agenturen fließt. Deshalb kann ich über Aussagen wie diese auch nur grinsen: „Die Influencer fanden die Aktion voll super und die haben das ganz freiwillig mitgemacht.“ Wirklich?!
Influencer Marketing: Verzweifelte Suche nach frischen, unverbrauchten Kanälen
Immerhin: Es gibt Berater wie Thomas Knüwer, die Influencer Marketing sehr kritisch sehen, sich dafür aber für die Variante der Influencer Relations erwärmen können. Pikanterweise gelten viele der Kommunikatoren ja selbst als Influencer. Über dieses Etikett regt sich zum Beispiel Robert Basic ziemlich auf. Klingt mit Verlaub ein kleines bisschen nach Koketterie. Denn wenn jemand Diskussionen und Entwicklungen im Netz mit seiner Meinungsstärke positiv belebt und beeinflusst, muss das ja nicht gleich anrüchig sein.
Wie dem auch sei: Die Sachlage im Influencer Marketing bringt Basic knackig auf den Punkt: „Man kann es drehen und wenden wie man will. Unternehmen setzen bewusst auf Influencer. Noch auf immer frische, relativ unverbrauchte Kontaktkanäle zu ihrer Zielgruppe (…). Je weniger Geld in die alten Kanäle hineinfließt desto höher der Handlungsdruck der Werber, alternative Kanäle zu finden. Was sie ja auch gefunden haben.“
Unternehmen brauchen mehr Mut zur authentischen Kommunikation
Also alles nur alter Wein in neuen Schläuchen? Ich frage mich bei der ganzen Diskussion immer wieder: Sind die Kommunikatoren in den Unternehmen eigentlich wirklich so mutlos? Denken sie, dass sie selbst im Netz keine authentische, glaubwürdige Kommunikation auf die Beine stellen können? Meinen sie deshalb, sich solche Stimmen einkaufen zu müssen? Das wäre schade, denn es gibt viele Wege, sich auf authentische Weise im Netz Gehör zu verschaffen. Hier drei Beispiele:
Influencer aus dem Unternehmen einbinden: Auf das große Potenzial von Mitarbeitern, die als Markenbotschafter agieren, hat meine geschätzte Kollegin Kerstin Hoffmann gerade wieder hingewiesen.
Eigene Themen setzen: CEO-Blogs in Deutschland? Weitgehend Fehlanzeige. Unternehmen mit Mut zur klaren Kante haben hier die Chance, sich einen echten USP zu erarbeiten!
Community Management kultivieren: Unternehmen brauchen eine klare, unverwechselbare Stimme, die sich auch im Shitstorm zu Wort meldet, statt den Kopf in den Sand zu stecken. So lassen sich automatisch Influencer gewinnen, die keinen Cent dafür verlangen!
Verkaufen muss nicht automatisch unauthentisch sein
Selbstverständlich steht hinter all diesen (und weiteren) Maßnahmen letztlich ein Eigeninteresse. Aber die Absicht, etwas zu verkaufen, muss nicht automatisch unauthentisch sein. Wichtig ist, dass sie nicht verschleiert wird, etwa über intransparente Deals mit Influencern, sondern dass das Unternehmen dazu steht, denn es hat ja hoffentlich auch etwas anzubieten. Wichtig ist auch, dass die Kommunikation keine Einbahnstraße ist, sondern zum Dialog einlädt. Und dass sie mit dem erkennbaren Willen verknüpft ist, die Perspektive der Zielgruppen einzunehmen – das heißt, sich ganz auf relevante, nutzwertige oder auch im besten Sinne unterhaltsame Inhalte zu fokussieren.
Fazit: Scheinbar neue Wege zu beschreiten, die letztlich doch nur die alten sind, kann doch keine Freude machen und zahlt sich langfristig auch nicht aus. Davon bin ich überzeugt. Mehr Kreativität und Lust an der Kommunikation würden den Spaßfaktor dagegen deutlich erhöhen – und zwar für alle Seiten! 😊
Und das Influencer Marketing? Ich persönlich glaube nicht, dass die Disziplin so bald Geschichte ist. Es wird sich zeigen, welchen (heilsamen) Einfluss der steigende Druck von Experten und Medien auf die Akteure hat. Vielleicht weicht die Luft nach und nach aus der prallgefüllten Blase. Dank der laufenden Debatte sollten sich wichtige Informationen zu den rechtlichen Aspekten immerhin allmählich herumgesprochen haben.
Eduard Andrae says
Danke für den Beitrag: das Fazit unterstreiche ich. Und ich hoffe, dass die “Influencer-Marketing-Blase” bald platzt und dann alle wieder vernünftig werden…