Update am 7.3.2022
Stellung beziehen, Haltung und Mut in der Kommunikation beweisen? Ohne „Purpose“ geht es gar nicht mehr – spätestens seit der Pandemie. Doch der Anspruch bedeutet für Unternehmen häufig einen Balanceakt – mit entsprechend großer Fallhöhe, wenn es schiefgeht. Dann nämlich droht oft ein Shitstorm wegen Gender‑, Green‑, Pink- oder Social-Washing. Ganz aktuell können wir live mitverfolgen, wie hoch der gesellschaftliche Druck werden kann, wenn es um das (Fehl-)Verhalten von Unternehmen geht.
Je fundierter die Strategie, desto beweglicher die Kommunikation
Wer mit mir zusammenarbeitet, weiß: Ich halte nichts von Hauruckaktionen in der Öffentlichkeitsarbeit. Das bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass ich gegen eine möglichst aktuelle, bewegliche Kommunikation bin – sonst wäre ich nicht Beraterin für digitale Kommunikation. Beispielsweise sind tagelang abstimmte Tweets in der Regel für die Tonne.
Doch gerade, wenn es um Agilität und Schnelligkeit geht, sollte die Basis dafür eine fundierte Kommunikationsstrategie im Einklang mit den Unternehmenszielen und ‑werten sein. Die Erfahrung zeigt: Kommunikationsverantwortliche brauchen einen roten Faden, der ihnen bei der Entscheidung hilft, was und wie man etwas kommunizieren sollte.
Werteorientierte Kommunikation aus dem Bauch heraus?
Peter Drucker hat einmal gesagt: „Culture eats strategy for breakfast“. Damit wollte der bekannte Ökonom ausdrücken, dass die Unternehmenskultur stärker ist als jede Strategie, die dort ersonnen wird. Stimmt. Heutzutage kommt noch dazu: „Instant“-Kanäle wie Twitter & Co. verführen zusätzlich zu Schnellschüssen.
Ein aktuelles Beispiel: Als während der vergangenen Fußball EM in den sozialen Medien der Shitstorm um die Regenbogen-Beleuchtung der Münchner Allianz Arena tobte, rief mich ein Kunde an und wollte meine Meinung hören:
Eine Abteilungsleiterin machte sich dafür stark, einen Regenbogen-Post in den Social Media abzusetzen. Meine Ansprechpartnerin, die Kommunikationschefin, war dagegen. Und das noch nicht mal, weil sie vielleicht eher konservativ eingestellt ist. Sondern ganz einfach, weil es bislang keine belastbare Strategie zum Umgang zu Themen wie Diversität und Inklusion im Unternehmen gibt – und weil sie nicht einfach nur Trittbrettfahrer bei dem Thema sein wollte. Verständlich, zumal das Unternehmen sonst sehr klare und glaubwürdige Botschaften über den (gesellschaftlichen) Nutzen seiner Leistungen sowie seine Vorzüge als Arbeitgeber vermittelt.
Und Berlin steht trotzdem noch. pic.twitter.com/KD8lNPPD2V
— Weil wir dich lieben (@BVG_Kampagne) June 22, 2021
Geglückte Spontanaktion 😅
Auch ich als grundsätzliche Verfechterin von Strategie in der Kommunikation hatte meine Zweifel, ob wir mit einem Regenbogen-Post etwas gewinnen könnten. Aber schließlich haben wir ihn doch gebracht. Als Kommunikator:in muss man schließlich auch wissen, wann sich intern der Einsatz gegen eine unausgegorene Idee lohnt und wann nicht.
Was ist dann passiert? Alle fanden es super, vor allem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter likten und teilten den Beitrag begeistert in ihre Netzwerke. Und die sind ja bekanntlich zunehmend sehr wichtige Botschafter:innen für Unternehmen.
Und die Fans und Follower? Die hatten zumindest keine Einwände. Nicht ganz selbstverständlich in einer Zeit, in der der Vorwurf, Green‑, Pink- oder Social-Washing zu betreiben, schnell aufkommen kann.
Wie lässt sich eine werteorientierte Kommunikation glaubhaft und nachhaltig etablieren?
Auch ich als Beraterin habe aus diesem Fall gelernt. Dennoch meine ich: Das hat jetzt einmal gut funktioniert. Aber nun ist in besagten Unternehmen aus meiner Sicht eine Strategie zum Umgang mit solchen Themen und Situationen gefragt. Notwendig ist auch insgesamt mehr Agilität für Echtzeit-Einsätze in den Social Media.
Wie lässt sich mehr Strategie in den kommunikativen Umgang mit heiklen Themen bringen? Tatsächlich hängt die interne Kommunikation eng mit dieser Frage zusammen. Beispiel Gendering:
Wenn zu diesem viel diskutierten Thema keine klare Linie vorhanden ist, kann das nicht nur zu Unklarheit im Außenauftritt führen, sondern auch zu Ärger im Unternehmen. Ein mögliches Szenario: Die Chefin möchte, dass alle im Team gendern. Eine Mitarbeiterin möchte das aber auf gar keinen Fall. Ober sticht Unter? Kann man machen, bringt aber nicht mehr Akzeptanz.
Ein besserer Weg: Das Unternehmen erstellt in Zusammenarbeit mit den wichtigsten internen Stakeholdern ein Papier mit dem gewünschten Wording als Leitlinie für alle Mitarbeitenden. Das bietet Allen Orientierung und trägt zur Befriedung von Konflikten bei. Auch das hat einer meiner Kunden erfolgreich umgesetzt.
Mut zur Haltung — eine gefragte Qualität in der Kommunikation
Auch Mut ist gefragt, um beispielsweise eine herausfordernde Situation als Chance für die Kommunikation zu begreifen und entsprechend nach vorne zu gehen. Das gelingt besonders dann, wenn eine spontane Kampagne als relevant, glaubwürdig, authentisch und/oder hilfreich wahrgenommen wird – und gleichzeitig auf die eigene Marke einzahlt.
Beispiel Obi (siehe unten): Hier zeigt ein Unternehmen Haltung. Es wird auf sinnvolle Weise Teil eines größeren gesellschaftlichen Vorgangs oder Diskurses und stiftet sogar einen sichtbaren Nutzen, indem es nicht einfach nur Geld spendet, sondern ganz konkret mitanpackt – im besten Falle natürlich mit Imagegewinn, was ich vollkommen legitim finde.
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Haltung und Mut in der Kommunikation: Ohne klare Linie geht es nicht
Fazit: Gesellschaftliche Themen werden heute immer öfter in die Unternehmen getragen – ob diese es wollen oder nicht. Nicht nur die Öffentlichkeit, sondern zunehmend auch die Mitarbeitenden erwarten von ihrem Unternehmen, dass es Stellung zu drängenden Problemen und Fragen bezieht.
Es nutzt wenig, die Augen dagegen zu verschließen. Vielmehr braucht es eine klare Linie, die bei kommunikativen Entscheidungen zum Umgang mit aufkommenden Themen und Erwartungen hilft. Dafür wiederum ist es hilfreich, die eigenen Werte zu reflektieren, bei Bedarf auch zu aktualisieren und zu leben, um nach innen wie nach außen glaubwürdig und authentisch zu sein.