Die Twitter-Übernahme ist vollzogen. Das Netzwerk gehört jetzt einem unberechenbaren Multimilliardär. Was bedeutet das für unsere persönliche Kommunikation und die von Unternehmen? Wie entwickeln sich Social Media insgesamt? Und worauf sollten Unternehmen im Kommunikationsmix auf jeden Fall setzen?
Traurig sein, wenn ein soziales Netzwerk sich in eine ungute Richtung entwickelt? Das geht. Jedenfalls war es so etwas wie Traurigkeit, die ich empfunden habe, als die Meldungen über die endgültige Übernahme von Twitter durch Elon Musk eintrudelten. Twitter war das erste soziale Netzwerk, auf dem ich mich angemeldet habe. Es ist immer noch der erste digitale Kanal, den ich morgens ansteuere. Twitter birgt unglaublich viele Perlen und ich bin dort mit großartigen Menschen verbunden.
Des einen Leid ist des anderen Freud. Auf der anderen Seite jubelten in der vergangenen Woche viele Accounts, darunter jede Menge Trolle, über die angebliche Niederlage der angeblich “woken” Twitter-Gemeinde. Endlich könne man nun hier wieder ungehindert seine Meinung sagen, hieß es nach der Twitter-Übernahme.
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Ganz ehrlich: Dass Twitter nicht mehr das ist, was es nach dem Gefühl von langjährigen Nutzer:innen einmal war, zeigte sich schon lange vor Musks Einstieg. Es wird zunehmend polarisiert und gehasst, was das Zeug hält — nicht nur in der Politikblase. Nicht zuletzt Donald Trump hat dem Affen in Gestalt des Algorithmus ordentlich Zucker gegeben.
Social Media im Griff der Algorithmen
Ob Twitter oder andere Netzwerke: Kommunikationsplattformen, die von privatwirtschaftlichen Unternehmen ermöglicht, aber auch gesteuert und manipuliert werden, sind einfach problematisch und sorgen schon lange für Unbehagen. Im Gefolge des Facebook-Skandals rund um Cambridge Analytica verließen so manche die Plattform für immer. In Deutschland bleibt Facebook dennoch bis heute das beliebte Netzwerk. Zudem hat Meta weiter daran gearbeitet, sein Reich auszuweiten, damit möglichst niemand mehr seine Zeit woanders im Netz verbringt. Doch auch auf anderen Plattformen sind wir der Macht der Algorithmen ausgesetzt.
Immer wieder kommt die Frage auf, ob Social Media nicht ohnehin passé sind. Zumindest was das Versprechen betrifft, mit dem sie einmal gestartet sind. So bloggte Dominik Ruisinger: Die “TikTokification” der Netzwerke mit dem Ziel, möglichst viele Inhalte KI-basiert auszuspielen, damit wir sie konsumieren, habe die Oberhand gewonnen: “Menschen sind nicht mehr so wichtig. Die Recommendations der Algorithmen mit aktuellem Fokus auf Kurz-Videos bestimmen die Inhalte. Und die Posts unserer Friends & Followers? Die werden wie bei Facebook in die Neben-Feeds verbannt. Und die Inhalte unserer sorgfältig aufgebauten Gruppen? Landen ebenfalls in den Nebenfeed, den kaum jemand wahrnehmen wird.”
Auf eigene Inhalte setzen: War da nicht mal was?
Also Videos für die Jüngeren, Ads für die Älteren? Das kann es nicht sein, meint Dominik. Das kann ich nur unterschreiben. Aber was tun? In der dritten Auflage meines Buches über Corporate Blogs habe ich vor einigen Jahren geschrieben: “Es ist nicht ratsam, sich heute zu sehr auf die Social Media zu verlassen, um seine Botschaften und Inhalte zu verbreiten. Eine möglichst breite Aufstellung in der Kommunikation schafft mehr Sicherheit und mehr Kontrolle. Aus diesem Grund ist eine fundierte Owned-Media-Strategie im Netz für Unternehmen mehr denn je unverzichtbar.”
Dazu stehe ich nach wie vor. Ich habe gleichzeitig betont: “Dabei gilt selbstverständlich die Devise: Man sollte das eine tun, ohne das andere zu lassen.” Was können Kommunikationsverantwortliche jetzt tun? Auf jeden Fall genau hinschauen und klug agieren:
Drei Dinge, die Unternehmen jetzt tun können
Twitter monitoren: Wie entwickelt sich jetzt die Stimmung auf der Plattform? Will man mit seiner Kommunikation Teil eines Netzwerks werden, das sich noch stärker als bisher radikalen Meinungen und Influencer:innen zuwendet und allein aus personellen Gründen nicht mehr gegen Hass vorgehen kann? Sollte in diesem Kontext wirklich Werbung geschaltet werden? Oder gilt es sogar, Farbe zu bekennen und Teil einer Gemeinschaft zu sein, die sich bei Twitter weiter für Diversität, eine offene Gesellschaft und einen faktenbasierten Diskurs einsetzt?
Haltung zu TikTok prüfen: Wie erreichen wir überhaupt noch junge Menschen? Bei vielen Unternehmen steigt der Druck, Plattformen wie TikTok zu nutzen. Besonders, um Fachkräfte-Nachwuchs anzusprechen. Das ist verständlich. Doch es sollte dabei immer klar sein, was für eine Plattform das ist. Sascha Lobo schrieb dazu kürzlich: “Zu wenige Menschen sind besorgt über den digitalen Imperialismus, den China betreibt und die unglaublich machtvollen Instrumente, auf die China dafür zurückgreifen kann. Wie zum Beispiel TikTok. ”
Großartigen Content bieten: Ganz gleich, was passiert und wie es mit den Social Media weiter geht. Zielgruppengerechte, ansprechende Inhalte sind und bleiben unverzichtbar, um in der digitalen Welt sichtbar zu sein. Der Content sollte je nach Vorlieben der Adressat:innen präsentiert und ausgespielt werden. Klassiker wie Corporate Blogs, Webseiten oder Newsletter müssen einen festen Platz im Kommunikationsmix erhalten, um eine zu große Abhängigkeit von den Launen der Netzwerke zu minimieren.
Twitter-Übernahme: Wie geht´s weiter?
Ich persönlich bin momentan noch hin und hergerissen. Sollte ich nicht bleiben, um mich für die Vielfalt dieses tollen Netzwerks weiter einzusetzen? Oder stimme ich besser mit den Füßen ab und ärgere den neuen Eigentümer zusammen mit vielen anderen, die die Plattform verlassen, auf diese Weise? Diese Fragen bewegen mich. Vorerst habe ich beschlossen, mit viel Wachsamkeit bei Twitter zu bleiben " target="_blank" rel="noreferrer noopener">und parallel meine Aktivitäten im Fediverse auszubauen, auch wenn es mir noch ziemlich fremd ist.
" target="_blank" rel="noreferrer noopener">Ich freue mich, wenn wir uns dort treffen!