Welche Blogger sind für unsere Themen eigentlich relevant? Eine zentrale Frage für Kommunikationsverantwortliche, die sich mit Blogger Relations befassen und entsprechende Aktivitäten planen. Da dürfte es gut passen, dass es seit kurzem den Blogger-Relevanzindex von Faktenkontor gibt.
Nicht zufällig tummeln sich im Bereich Influencer Relations inzwischen einige Player — von Traackr über Influma bis hin zu bereits bewährten und sehr breit aufgestellten Plattformen wie Mynewsdesk. Der neue Index bedient also definitiv eine vorhandene Nachfrage zur richtigen Zeit.
Dazu kommt: Viele Unternehmen jammern, weil die Kommunikation in der digitalen Welt ihrer Meinung nach immer komplexer wird. Sie suchen händeringend nach simplen Mitteln, um sich zu orientieren und setzen voller Hoffnung darauf, dass online alles, aber auch alles messbar ist. Warum also nicht auch den Wert von Bloggern errechnen (lassen), mit denen man zusammenarbeitet oder zusammen arbeiten will?
Der Wert eines Bloggers ist messbar — wirklich?
Das weit verbreitete Bedürfnis nach Vereinfachung und Messbarkeit einer komplexen Materie ist verständlich, auch wenn mich das an den früheren Glauben an die geheiligten IVW-Zahlen erinnert. 😉 Trotzdem tun sich für mich einige Fragen auf, wenn ich mir die 5 Kennzahlen im Faktenkontor-Index genauer anschaue.
- Was den Sistrix Sichtbarkeitsindex betrifft, stützt sich Faktenkontor auf Zahlen, die offenbar nicht einmal Google in dieser Form parat hat. Zumindest ist unklar, wie diese Daten genau eruiert werden.
- Die Backlinks auf Blogs zu ermitteln ist nach Auskunft von Experten wie Urs E. Gattiker sehr schwierig bis unmöglich. Der Grund: Die Anzahl der Links verändert sich je nach Anzahl der Blogs auf der Welt. Die Messtools, die es gibt, zeigen uns wenn überhaupt eine nicht repräsentative Auswahl von Backlinks. Außerdem ist natürlich allseits bekannt, dass Backlinks auch immer eine Einladung sind und waren, Tricksereien zu betreiben, um den eigenen Pagerank nach oben zu treiben. Deshalb werden sie im Google Algorithmus nicht mehr so hoch bewertet wie einst.
- Die Zahl der Blogbeiträge in den letzten drei Monaten muss nicht unbedingt ein Indikator für die Relevanz eines Blogs sein. Denn schließlich sagt die reine Menge nichts aus über die Qualität der Posts oder darüber, WER gebloggt hat, wieviele Gastautoren oder Sponsored Posts dahinter stecken könnten etc.
- Genau hier kommt der TRUST-Aspekt ins Spiel. Ein Blogger mag viele Posts, Backlinks, Kommentare etc. haben, aber arbeitet er auch sauber? Können die Leser seinem Urteil vertrauen oder ist er wohlmöglich “käuflich”? Das ließe sich unter anderem daran erkennen, ob der Blogger Inhalte, die im Rahmen einer Kooperation mit einem Unternehmen entstanden sind, entsprechend kennzeichnet oder nicht. Vielleicht sollte man ehrlicherweise einen Käuflichkeits-Messwert mit in den Index aufnehmen, da Unternehmen zuweilen auch unanständige Kooperationsangebote an Blogger machen? Aber Spaß beiseite. Ich möchte den Machern des Indexes auf jeden Fall ans Herz legen, auch die andere Seite der Medaille zu beleuchten und interessierte Unternehmen über die die Dos und Donts in der Disziplin Influencer Relations aufzuklären.
- Was mir in dem Blogger-Relevanzindex bislang völlig fehlt (vielleicht ist dieser Aspekt auch einfach nicht kommuniziert worden) ist der Branchenbezug. Beurteilungskriterien, die für Foodblogger gelten, müssen wiederum nicht für Fashion Blogger gelten etc.
Blogger Relations: Bitte das Hirn einschalten!
Eine Anmerkung noch: Faktenkontor hat offenbar eine vorhandene Blogger-Datenbank von news aktuell als Basis genutzt und innerhalb dieses Datenpools seine Messungen gemacht. Ein Stück weit wäre das eine Nabelschau. 1600 Blogs scheinen viel, aber da draußen in der Blogosphäre gibt es unendlich viel mehr Planeten.
Fazit: Es gibt einen Markt für Angebote wie das von Faktenkontor. Dieser wird von eigens programmierten Plattformen oder auch von klassischen Anbietern wie Pressedatenbanken bedient. Viele Unternehmen lieben Zahlen und glauben an sie. So kommt eines zum anderen. Die Frage sei aber erlaubt, welches Gewicht so ein Index beim Aufbau einer komplexen Disziplin wie Blogger Relations haben sollte.
Bei allen Kennzahlen und Messungen bleibt es Unternehmen, die es mit Influencer Relations ernst meinen, nicht erspart, ihr Hirn selbst einzuschalten. Sie sind gut beraten, wenn sie
- ihre eigenen Analysen und Erfahrungen machen
- sich allmählich in das Thema vortasten
- Kontakte mit Fingerspitzengefühl knüpfen
- sauber mit Bloggern kooperieren
- Angebote machen, von denen beide profitieren
- langfristig eine Beziehung mit Multiplikatoren aufbauen
Bei alldem geht es nach meiner Erfahrung übrigens auch mal nach Bauchgefühl und persönlichen Sympathien auf beiden Seiten — auch wenn sich so etwas leider nicht durchmessen lässt. 😉
Ich bin neugierig: Wie ist eure Einschätzung zu diesem Thema? Ich freue mich auf euer Feedback!
P.S.: Es lohnt sich übrigens, den Blog Benchmark von Urs E. Gattiker und seinen Kollegen im Vergleich einmal anzuschauen.
Urs E. Gattiker - DrKPI meint
Liebe Meike
Danke für diesen Blogeintrag und natürlich den Link zum DrKPI Benchmark.
Ich sehe das ein wenig wie Sachar Klein… kann man es messen ja aber und ein wenig wie Jörg Forthmann — was soll man denn nehmen als Indikatoren um Influence zu messen.
Obwohl der Index anscheinend Relevanz misst, wird überall auch in der dokumentation vom Faktenkontor von Einfluss gesprochen.
Grundsätzlich ist es fast unmöglich zu messen wer Einfluss hat und wer nicht.
Zum Beispiel die ganze Forschung auf dem Gebiete von Power/Authority, Influence und Leadership zeigt wie komplex dies ist. Nur wenn man das Konzept von Einfluss in der Organisation oder als Blogger definiert, hat man den ersten Schritt getan. Faktorenkontor tut dies aber nicht …
Kurz: Influence ist schwierig zu definieren und noch schwieriger zu messen.
Trotzdem kann man Dinge messen wie z.B.
1. Semantik — Lesbarkeit eines Blogeintrages
2. Dialog — findet dieser statt und wie gut ist er
3. Social Sharing — wo werden die Beiträge in Social Networks geteilt und wie z.B. Likes oder Comments
usw.
Man kann z.B. sehen, dass der Index (das Unternehmen kreierte einen Blog dafür) keine grosse soziale Resonanz in Social Networks generiert noch ein Dialog im Blog selber über deren Messinstrument stattfindet:
http://drkpi.de/rank/Web2.0/DE/*/*/51/www.faktenkontor.de/blogger-relevanzindex/
Diese Kennzahlenb (siehe Punkte 1–3 oben, z.B.) können für den Blogger sehr interessant sein. Speziell der Vergleich zeigt dann, wie gut der eigene Blog is… im Vergleich zur Konkurrenz … UND WIE MAN SICH VERBESSERN KANN.
Aber dies sagt leider noch nichts aus über den Einfluss eines Blogs.
Ich habe auch noch nichts wissenschaftliches gefunden welches dieses definiert.
Uebrigens, ob und wie ein einflussreicher Blogger das Image einer Firma oder dasjenige der Marke verbessert wird selten gemessen. Ob es den Verkauf steigert noch weniger… wozu ist es dann nützlich?
Freundlichst
Urs
Sachar Klein meint
In meiner Brust schlagen zwei Herzen:
Der Idealist sagt: “Es darf nicht sein. Zahlen und Indizes gehören einfach nicht in die PR. PR darf sich nicht vom Marketing instrumentalisieren lassen, von Zahlen diktiert zu werden.”
Der professionelle Kommunikator, der an seinen CEO berichten muss, kann den grundsätzlichen Ansatz nachvollziehen.
Gleichwohl sehe ich die Kriterien des Blogger-Relevanzindex grundsätzlich zu eng an den SEO-Kriterien. Was wenn ein Blogger Millionen von Lesern hat, die aber kein Blog haben, ihm somit keine Backlinks bescheren können und ihn trotzdem lieben? Ja, so was gibt es durchaus (in abgeschwächter Form).
Lars Reppesgaard meint
Danke für deine Einschätzung, die ich sehr spannend und treffend finde.
Ich glaube auch, dass ein blindes Vertrauen in Zahlen bei Blogger Relations in die Irre führt. Und denke auch, an den einzelnen Kennzahlen kann man sicher noch arbeiten. Eine Diskussion um das Wie und Warum ist sicher sinnvoll, auch damit in der nächsten Iteration die KPIs weiter optimiert werden. Ich bin gespannt, ob und wie es dann gelingt, ein Thema wie Trust/Reputation abzubilden.
In einem würde ich aber gerne widersprechen: Ja, Blogger Relations leben auch vom individuellen Angang. Aber muss es sich nicht irgendwann davon weg entwickeln? In anderen Bereichen der Öffentlichkeitsarbeit arbeiten wir auch mit weniger Individualität und mehr Draufsicht – ich mag Holger Schmidt, den Netzökonom, aber wie hat sich seine Relevanz verändert, seit er für Fokus schreibt? Hat er an Einfluss verloren, weil er nicht mehr bei der FAZ ist, oder gewonnen?
Das messen wir auch mit KPIs wie Auflage, Reichweite etc…Auch über die kann man diskutieren. Aber weil ich als Öffentlichkeitsarbeiter auch skalieren können muss, und priorisieren zudem, kann ich irgendwann nicht mehr alle Blogger in meinem Interessengebiet individuell bewerten und betreuen.
Zumindest für die Frage, wofür ich Ressourcen aufwende, kann ich mir vorstellen, dass so ein Index sinnvoll ist. Danach muss ich natürlich, wie in der Arbeit mit Journalisten, individuell vorgehen und Beziehungen aufbauen.
Das zumindest wäre so meine Einschätzung.
Jörg Forthmann meint
Hallo allerseits,
ich habe den Blogger-Relevanzindex mit entwickelt. Die Diskussion, die ich hier sehe, hatten wir auch: Was sollen wir messen? Und wie sollen wir es messen? Mit den fünf Kennzahlen haben wir einen guten Ansatz gefunden, eine Reihe wichtiger Aspekte zu erfassen. Aber klar, das ist jetzt ein Standard-Messinstrument, das nicht alle individuellen Wünsche erfüllt. Aber es ist eben auch deutlich mehr als das, was meistens eingesetzt wird: reines Bauchgefühl. Insofern freue ich mich über die Anregungen, die es in dieser Diskussion gibt. Etwas gutes kann immer noch besser werden. Gebt unser gern Euer konstruktives Echo!
Beste Grüße
Jörg Forthmann
Meike Leopold meint
Danke für eure Einschätzungen! Mal sehen wie die Diskussion weiter geht 🙂
Kai Thrun meint
Was mich am meisten stört, auf beiden Seiten des Tisches: Es wird häufig die nicht messbaren Dinge vergessen. Die Kontakte die der Blogger ggf. noch hat, die langfristig für mich profitabel sein können.
Aber das ist dann wohl auch der Unterschied zwischen Blogger Relations und Blogger Marketing
Viele Grüße,
Kai
socialdread meint
Stimmt. Was auch vollkommen vergessen wird:
Ein Unternehmen könnte einen Blogger / eine Bloggerin auch relevant machen (z. B. Teilen der Beiträge in eigenen SoMe-Kanälen etc.).
Mein Eindruck ist aber immer noch, dass es den Unternehmen eher um die schnelle Produktplatzierung geht.
socialdread meint
Die sinnvolle Alternative zum Bloggerrelevanz-Index: nehmt euch einen Tag frei, gebt relevante Schlüsselbegriffe bei Google ein und begebt euch auf Internetreise.
Das Faktenkontor-Werkzeug wirkt auf mich wie Geldmache mit faulen Unternehmenskommunikationsabeilungen, die nicht wirklich an Blogger Relations interessiert sind.
Andererseits ist es vielleicht als Einstieg ganz nett, um einen Überblick zu bekommen und sich dann tiefer reinzuarbeiten (was zwingend passieren muss.)
Und wie du schon geschrieben hast, Maike, wird der Index relevanter, wenn er nach Themen sortiert werden kann.
Heiko Kunkel (olschok) meint
…das Bauchgefühl zählt einfach.
Super Post und Blogger Relations sollte man einfach in die Hände von Experten legen. Punkt!
Falk Hedemann meint
Danke für diesen Klartext-Beitrag, liebe Meike 🙂
Ich kann Deine Bedenken gnadenlos unterstreichen und gehe sogar noch einen Schritt weiter: Es wird nie ein Tool geben, dass einem Unternehmen die für sie wichtigsten Influencer identifiziert!
Warum? Ganz einfach: Kein Tool der Welt kann die Zielsetzungen, die Erwartungen und die aktuellen Befindlichkeiten der beiden Partner auch nur erahnen und das sind nunmal sehr wichtige Kriterien für eine Beziehung. Ein Influencer-Tool wird daher nie über den Status einer Marketing-Gießkanne hinauskommen können.
Ein weiterer wichtiger Punkt: Es kommt auch stark darauf an, was das Unternehmen mit den Blogger genau vor hat! Triggert das den Blogger überhaupt? Interessiert ihn das so sehr, dass er darüber einen tollen Blogbeitrag aus eigenen Antrieb heraus schreibt, weil er der Meinung ist, dass seine Leser davon erfahren sollten? Hier hakt es leider noch zu oft, weil die Unternehmen intrinsisch motiviert sind und nicht aus der Sicht der Blogger und deren Leser denken 😉