Gute Geschichten erzählen, Content Marketing über alle Kanäle hinweg betreiben, am liebsten natürlich gleich virale Inhalte schaffen. Ein gesamter Berufsstand — vom PRler über den Werber bis zum Marketier — soll sich (gefühlt) plötzlich mit seinen “Zielgruppen” am virtuellen Lagerfeuer versammeln und dort alle mit großartigen Stories verzaubern. Das Ziel: Vertrauen aufbauen durch Relevanz, Authentizität und Glaubwürdigkeit und damit letztlich zum Kaufen animieren.
Die große Frage: Wie geht das eigentlich, solchen Content zu produzieren und was brauche ich, um selbst zum Publisher zu werden? Viele Unternehmen haben sich bereits erfolgreich auf den Weg gemacht, genauso viele sind aber auch noch etwas ratlos oder suchen den richtigen Weg, wie sie das Thema Content Marketing anpacken sollen — das war beim depak Seminartag Viral & Content Marketing deutlich zu spüren. Bevor es vormittags in die ersten Workshops ging, unternahm das Startpanel um Moderator Hajo Schumacher den Versuch, die Herausforderungen und Chancen der Disziplin zu umreißen. Mit von der Partie unter anderem die Unternehmen Vitra sowie mytoys.de.
Content Marketing: Kernthesen der Diskussion
1. Die Zeit der einseitigen Kampagnen ist vorbei. Die Aufgabenstellung lautet heute: wie werden wir als Unternehmen Teil der Unterhaltung? Wie das geht, zeigte beispielsweise diese bekannte und erfolgreiche transmediale Kampagne von Mattel über die Trennung von Barbie und Ken.
2. Menschen wollen keine Werbung, sondern Antworten. Sie fragen: Ist der Inhalt unterhaltsam? Oder ist er nützlich für mich? Für Unternehmen bedeutet das: Die Sicht der Zielgruppe zählt und nicht ich und mein Produkt! Erfolg bringt ein konsequentes Hineinversetzen in die Bedürfnisse der Adressaten kombiniert mit den richtigen Inhalten zur richtigen Zeit auf dem richtigen Kanal.
3. “Unsere Produkte verkaufen sich nicht mehr ohne Story dahinter.” Sagt Matthias Wesselmann, der bis vor kurzem Marketing für den Möbeldesigner Vitra gemacht hat. Dazu kommt: Die Kunden bauen selbst Geschichten rund um Produkte, die sie beschäftigen oder die sie mögen. Ein schönes Beispiel: das Thema Windeltorte, das sich offenbar bei den Kundinnen von mytoys.de großer Beliebtheit erfreut und deshalb auch auf dem Unternehmensblog aufgegriffen wurde. Um genau diesen Effekt für sich zu nutzen, hat Vitra eine Kooperation mit der Plattform “Freunde von Freunden” eingegangen, wo kreative Menschen zeigen, wie sie sich einrichten.
Klassische Medien nutzen wir für Werbung. Nicht für Storytelling. @iPoss von @mytoys #vcmberlin
— Sascha Knorr (@KnorrSascha) 20. April 2015
4. Die Klage über immer schlechter erreichbare Zielgruppen hat eine positive Kehrseite: Jedes Format findet heute seine Abnehmer, wenn es gut gemacht ist und relevante Inhalte liefert — vom Unternehmensblog bis zur App. Lego etwa, ein Meister im Storytelling rund um seine Artikel, bietet heute Unmengen von Spiele Apps für Kinder auf itunes und Co. an.
5. Alle wollen virale Inhalte, aber stimmen die Voraussetzungen dafür überhaupt? Neben dem Commitment zu gutem Content und den nötigen Ressourcen gehört dazu nämlich vor allem eines: Mut! Der Wille, die Schwelle zu überschreiten, an der Leser/Nutzer/Kunden bereit sind, Inhalte zu teilen, muss einfach da sein und vor allem auch wiederholbar! (Sixt macht immer wieder vor, wie das geht).
Stolpersteine beim Content Marketing
Wer Content Marketing ernst nimmt, muss umdenken — diese Erkenntnis dürfte JEDER Teilnehmer aus dem depak Seminar mitgenommen haben. Vor diesen Aufgaben steht die Unternehmenskommunikation:
- Verteilte Zuständigkeiten und Silos in der Kommunikation müssen aufgebrochen werden, damit Storytelling aus einem Guss möglich wird.
- Die professionelle Orchestrierung der Inhalte über alle Kanäle hinweg ist eine Nuss, die die wenigsten schon geknackt haben
- Content Markting bedeutet mehr Aufwand bei tendenziell weniger Ressourcen — wie lässt sich diese Herausforderung meistern?
- Inhalte werden immer stärker mobil konsumiert — wer hier mit überzeugenden Konzepten punkten kann, hat die Nase vorn.
- Der Trend geht weg von Text hin zum Bewegtbild — hier sollten Unternehmen viel mehr investieren als bisher.
- Last but not least geht es auch darum, die Illusion von Kontrolle über die eigenen Botschaften loszulassen und beispielsweise digitale Influencer bewusst in die Kommunikationsstrategie mit einzubeziehen.
“Gute Geschichten wurden schon immer weiter erzählt. Ihr im Content Marketing tragt eine große Verantwortung, diese Stories zu entwickeln!”, predigte Sascha Lobo am Ende eines langen Seminartages beim Umtrunk. Dabei könnten Unternehmen sich ein Beispiel an vielen kalifornischen Unternehmen und ihren nachhaltig wirksamen Gründungsmythen nehmen. Aber – wie konnte es auch anders sein – Lobo versetzte den versammelten Kommunikatoren auch einen Dämpfer ;):
Sascha Lobo: Es gibt gar keine Viralität. Alles nur Einbildung. #vcmberlin
— Corinna Conradi (@coconradi) 20. April 2015
André Niehues says
Ein wesentlicher Faktor liegt nach unseren Erfahrungen vor allen Dingen in der Erlebbarkeit der Story am POS. Wir haben bereits vor einigen Jahren ein Medium entwickelt, mit dem das Contentmarketing in Form von Crossmarketing im Geschäft vom Kunden erlebt wird. Das sind echte Händlerempfehlungen an seinen Kunden. Über addcube werden die regelmäßige Themenwechsel im Handel unschlagbar kosteneffektiv umsetzbar (am Beispiel erlebbar unter: http://www.addcube.de).
Die Größte Hürde dabei — wie sollte es anders sein — die fehlende Vernetzung der einzelnen Departments in den Firmen. Für Content Marketing stehen sich die meisten Marken im Moment noch selber im Weg. Lösungen bringen wir deshalb über vernetzte Agenturleistung in die Märkte…
Hubertus Troost says
Ihr werdet es nicht mehr schaffen. Das Hard Selling bietet kein Verfahren, weil es sich seit den 1980er Jahren als Feind der Kreativität geoutet hat. Die Menschen sind es nun gewohnt, nicht wegen, sondern trotz Kommunikation zu kaufen.
Ihr, Boston Consulting, Martin Sorrell, McKinsey, Warren Buffett, und viele andere seid am Ende. Basta!
P.S.: Die Regeln für solide Kommunikation und Umsatzfrühwarnsysteme kenne ich noch.
Meike Leopold says
Danke für Ihren Kommentar. Ihren Gedanken, dass Menschen heute trotz Kommunikation und nicht wegen kaufen finde ich interessant. Beste Grüße