Vor einigen Tagen in Berlin: Während sich quasi einen Steinwurf entfernt eine schwere Regierungskrise rund um die Flüchtlingsfrage abspielte, fand am Werderschen Markt das alljährliche Schaulaufen um die besten Plätze bei der Verleihung des Deutschen Preises für Onlinekommunikation, kurz #dpok, statt.
Wenn die Online-Kommunikatoren sich und ihre Projekte feiern, gehört ein bisschen Glamour natürlich immer dazu. Gesellschaftliche Probleme und Herausforderungen wurden dabei aber keinesfalls ausgeklammert.
Online-Kommunikation: Unternehmen beziehen Stellung
Abends bei der Preisverleihung in der Location Radialsystem stellte sich heraus: Der schöne Schein kostspieliger digitaler Kampagnen von großen Marken mit vielen tollen Influencern und mehr oder weniger sinnvollen Botschaften hatte unter den Siegern keinesfalls die Oberhand.
„Unternehmen trauen sich, mehr Stellung zu beziehen“, stellte Jury-Chef Magnus Hüttenberend von TUI auf der Bühne fest. Recht hat der Mann. So gewann die Kampagne Aus-weg.de der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration gegen häusliche Gewalt gleich in zwei Kategorien den ersten Preis.
In Zeiten von #metoo ein klares Signal: zweimal #Dpok Gold für https://t.co/IVQm7XE8Qn Gratulation ❤️
— Meike Leopold (@Leopom) 14. Juni 2018
Ebenfalls unter den verdienten Siegern: Die Kampagne der Organisation Terres des Femmes gegen den Gender Pay Gap oder „Sag‘s mir ins Gesicht“ vom ZDF.
Harte Nuss für die Jury: Welcher Chatbot Case ist innovativer?
Juroren müssen sich auch beim dpok hin und wieder auch mit der Frage befassen, ob bei der Punktevergabe neben einer mehr oder weniger perfekten und sehr aufwendigen Kampagne nicht auch ethische Erwägungen eine Rolle spielen. Das eine ist beispielsweise die Frage, wie ausgefeilt der Chatbot oder wie packend das Storytelling ist, das in einer Kampagne wie Mali zum Einsatz kommt.
Das andere ist die Frage nach der gesellschaftlichen Relevanz der präsentierten Themen. In dieser Hinsicht ist aus meiner persönlichen Sicht ein intelligenter, lernender Chatbot wie Ella, der Frauen hilft, die Sorge vor einer ungewollten Schwangerschaft haben, der verdiente Sieger in der Kategorie „Innovation des Jahres“. Es kann aber natürlich sehr gut sein, dass jemand anders den hohen Druck der Bundeswehr, guten Nachwuchs zu finden, als ähnlich relevant bewertet.
Überhaupt: Der Fachkräftemangel. Ein Thema, das in vielen Branchen immer brennender werden und sich in vielen Einreichungen wiederfand. Zum Beispiel in der DATEV-Kampagne „Rock Deine Zukunft: Ein Tim für alle Fälle“.
Oder in der erfrischenden Kampagne Job-Challenge Allgäu.
Unbekannte Namen, erfolgreiche Kampagnen
Wer im vergangenen Jahr miterlebt hat, wie sich Manuela Koneczny, Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit bei der Handwerkskammer München, und ihr Team über den Preis für die Kampagne freuten, versteht ihren diesjährigen Wunsch als Neu-Jurorin: „Wir brauchen mehr Bewerber, die keine großen Namen haben aber trotzdem erfolgreiche Online-Kommunikation machen.”
Zum Beispiel wie der freche Bierbrauer Herrenhäuser. Oder wie die Schwenninger Krankenkasse mit ihrem Webmagazin.
dpok 2018: Mein persönliches Highlight kommt aus Hamburg
Ebenfalls verdient gewonnen hat der Newcomer „Hochbahn Blog“ in der Kategorie Blog. Das Corporate Blog wird im Teamwork vom Chef der Öffentlichkeitsarbeit Christoph Kreienbaum und seiner Kollegin Pia Gängrich gestemmt. Die junge Blog-Reporterin kommt sehr klar, authentisch und lebendig rüber. Sie sei „mittendrin statt nur dabei”, so Pia Gängrich. Und immer auf der Suche nach Themen, die die Kunden des über 100 Jahres alten Unternehmens bewegen.
Mittelfristig soll das Hochbahn Blog keine One-Woman-Show bleiben. Aber für den Moment passe der Ansatz so für die Hochbahn. Das Blog ist nicht auf Hochglanz getrimmt, überzeugt aber unter anderem auch mit der Einbindung von Bildern und Filmberichten. Große Freigabeschleifen gibt es nicht für die Blogchefin, außer wenn fachliche Informationen gegengecheckt werden müssen.
Für Christoph Kreienbaum eröffnet das Blog neue Möglichkeiten in der klassischen Öffentlichkeitsarbeit. Journalisten hätten nun einmal andere Interessen als die Kunden. Wichtig sei es, auch deren Perspektive einzunehmen.
Ganz ehrlich: Bei so einer klugen und durchdachten Art, die Öffentlichkeitsarbeit eines Traditionsunternehmens zu modernisieren und ins Netz auszuweiten geht mir einfach das Herz auf! 🙂
Last but not least ist dieser Sieger in der Kategorie Virale Kommunikation für mich echt großes Kino. Auch wenn ich zugegebenermaßen nicht die Zielgruppe bin. 🙂 Der österreichische Kommunikationsanbieter A1 hat durch die Zusammenarbeit mit dem damals noch relativ unbekannten Mountainbiker Fabio Widmer einen echten Hit mit vielen Millionen Zugriffen gelandet. Und der junge Mann ist als Influencer in seinem Bereich heute quasi unbezahlbar.
Einen Überblick über alle Siegerinnen und Sieger des dpok 2018 findet ihr hier.