Viel hilft nicht unbedingt viel. Das zeigt die Siegerliste des Deutschen Onlinekommunikationspreises 2016 in Berlin. Natürlich überzeugen beim #dpok häufig große, teure Kampagnen von namhaften Unternehmen die Juroren. Aber auch Außenseiter mit originellen Ideen oder Kampagnen mit kleinem Budget und großer Wirkung haben eine reelle Chance, bei der Preisverleihung am Ende eines langen Tages auf die Bühne gerufen zu werden.
Beispiel „Storytelling“: In dieser Kategorie traten Schwergewichte wie Vodafone mit #izddw, das besser zu „Influencer Relations“ gepasst hätte, gegen „Zwerge“ wie den Deutschen Anwaltverein an. Dieser investierte seiner Agentur zufolge gerade mal ein paar tausend Euro in die überaus erfolgreiche Kampagne „Der Typ, der alles trennte“ — und räumte beim #dpok gleich zwei Preise ab.
Warum? Die Kampagne schaffte es, für ein äußerst unbeliebtes aber dennoch hochrelevantes Thema, nämlich Ehevertrag und Scheidung, innerhalb kürzester Zeit weltweite Aufmerksamkeit zu schaffen. Das Echo auf die fingierte Story vom gehörnten Ehemann Martin G. war in den (internationalen) Medien und im Netz riesig — und interessanterweise nahm kaum jemand dem Anwaltverein, der sich erst später als Initiator der Aktion outete, seinen Blöff übel.
Da konnte auch die extrem aufwändige und journalistisch anspruchsvolle Content-Kampagne #economystories von der Deutschen Bank nicht mithalten. Folgende Aussage von Nico Reinhold, der das Thema bei der Bank verantwortet, hat mir trotzdem aus der Seele gesprochen: „Wir glauben, digitales Storytelling wird die Pressearbeit ablösen“.
Beispiel 2 für ein Projekt, das trotz eines schmalen Budgets den ersten Preis beim #dpok brachte. Der Imagefilm des DLG.
#dpok: Bei ProSiebenSat.1 Digital sind alle social
In der Kategorie „Social Media Team des Jahres“ setzte sich ProSiebenSat.1Digital gegen die Konkurrenz durch, obwohl starke Mitbewerber wie die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) antraten, die durchaus überzeugend vermitteln konnten, wie gut die Zusammenarbeit zwischen der Agentur GUD und dem Unternehmen bei #weilwirdichlieben funktioniert.
Aus aktuellem Anlass erweitern wir den Fährverkehr.
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— Weil wir dich lieben (@BVG_Kampagne) 17. Juni 2016
Warum siegte am Ende ProSiebenSat.1 Digital? Das fünfköpfige Social Team sieht sich intern vor allem als Enabler und betont, dass beim Sender alle Mitarbeiter und Abteilungen das Thema gemeinsam voranbringen. Das bedeutet im Alltag zum Beispiel, dass allen Abteilungen kurzerhand ein Praxis-Workshop zu Snapchat angeboten wird. Dieses Vorgehen ist nicht unbedingt selbstverständlich — auch nicht bei einem TV-Sender voller Medienexperten. Und es ist nach meiner Überzeugung der einzig richtige Weg für Unternehmen zum nachhaltigen Erfolg im Netz — auch wenn der für viele Social-Media-Verantwortliche nach wie vor steinig ist.
Dazu ein vielsagendes Zitat von der Agentur Elbkind, die sich als Team mit erfolgreichen Kampagnen wie für Rügenwalder oder Ritter Sport ebenfalls in dieser Kategorie beworben hatten: „Social Media wird in vielen Unternehmen immer noch auf Praktikanten-Niveau betrieben”. Mein Rat an alle Skeptiker unter meinen Lesern: Schauen Sie sich die Gewinner des diesjährigen #dpok genau an und lassen Sie sich von ihren Ideen inspirieren!
Ich möchte auf jeden Fall noch das Social Media Team von Voestalpine erwähnen. Das Team kommt jung, erfrischend und engagiert rüber, seine Arbeit gehört zu den wenigen vorzeigbaren B2B-Cases im Bereich Social. Ich habe mich nur gefragt, ob dem Team nicht doch ein wenig Input von Außen helfen könnte? Und es wäre sicher hilfreich, wenn es die Chefetage noch stärker in seine Aktivitäten mit einbeziehen würde.
Voestalpine bloggt übrigens gefühlt schon seit Urzeiten. 🙂
Corporate Blogs: Mehr Mut beim Content wünschenswert
Und bin ich schon bei der Kategorie Corporate Blogs. Hier konnte das KPMG Klardenker Blog die Jury mit seiner Blogstrategie überzeugen. Im Vordergrund steht bei dem B2B-Blog die Thought Leadership. Laut Redaktionsleiterin Kerstin Heuer ist es schon mehrfach gelungen, mit interessanten Themen auch die Aufmerksamkeit der Presse zu gewinnen.
Mein persönliches Fazit: Viele Dinge machen die Unternehmen beim Bloggen schon sehr professionell — es gibt Redaktionen, genügend Content, und die Autoren aus den Unternehmen werden in den Vordergrund gestellt. Auffällig war bei den Bewerbern auch, dass sehr stark mit visuellen Elementen gearbeitet wird — zum Beispiel beim Erotikanbieter Eis.
Was bei den Blogs insgesamt fehlte, waren mutigere Content-Ansätze. Keiner traut sich so richtig, auch mal gegen den Strich zu bürsten und Meinung zu zeigen. Bloggende Chefs sind nicht vorhanden. Auch erschloss sich nicht immer, warum man eigentlich mit so viel Aufwand ein Unternehmensblog betreut. Schließlich muss sich die ganze Investition am Ende je nach Ziel bezahlt machen. Und dabei spielen natürlich Erfolgszahlen eine Rolle. An einem Blog wie dem von Ernsting’s Family scheiden sich vielleicht inhaltlich die Geister — es kann aber immerhin 43 K Besucher pro Monat und auch viele Leserkommentare vorweisen.
DrKeil meint
„Wir glauben, digitales Storytelling wird die Pressearbeit ablösen“ > wirklich? Haben wir nicht gegen jegliches Unken und Prophezeien eine immer noch sehr reichhaltige Presselandschaft? Und könnte nicht irgendwann auch die journalistische Gatekeeper-Funktion noch wichtiger werden? Gerade die Polemik gegen die vermeintliche Lügenpresse zeigt doch, dass wir am Ende lieber einer Zeitung glauben, als einem Facebook-Post, der auch liebevoll gefakt sein kann.. — das als kleine Provokation. Danke aber für den einordnenden Bericht!