Das Corporate Blog der altehrwürdigen Hamburger Hochbahn ist seit 2014 online. Das Hochbahn Blog dient nicht nur der Imagepflege oder dem Ausbau der Community rund um das größte Verkehrsunternehmen in Hamburg. Es soll auch einen Blick hinter die Kulissen und Platz für kritische Fragen ermöglichen. Dabei will die Redaktion nicht nur für die über 455,8 Millionen Fahrgäste (2017) da sein, sondern auch für potenzielle Mitarbeiter und Multiplikatoren wie Journalisten und Blogger. Für seine überzeugende und mutige Öffentlichkeitsarbeit im Netz wurde das Hochbahn Blog kürzlich mit dem Deutschen Preis für Onlinekommunikation belohnt. Hinter diesem Erfolg steht vor allem die Blog-Verantwortliche Pia Gängrich. Ich durfte ihr einige Fragen rund um das Hochbahn Blog stellen.
Das Hochbahn Blog hat vor einigen Wochen beim Deutschen Preis für Onlinekommunikation in der Kategorie Blog den ersten Preis geholt. Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie und Ihr Kollege Christoph Kreienbaum bei der Preisverleihung in Berlin auf die Bühne gerufen wurden?
Pia Gängrich: Das war wie im Film. Wir sind zwar auch vorher schon von unserer Arbeit überzeugt gewesen, aber so richtig rechnet man ja doch nicht damit, dass man gewinnt. Der Gang auf die Bühne war ein bisschen wie auf Wolken, ich konnte es kaum glauben und war gleichzeitig unglaublich stolz auf uns. Kurzum: Ein unvergesslicher Moment.
Was posten wir als nächstes? Diese Frage treibt Soloblogger wie auch Unternehmensblogger um. Welche Erfolgsfaktoren sehen Sie bei der Themenfindung?
Pia Gängrich: Wichtig ist eine enge Verzahnung der gesamten Unternehmenskommunikation — sowohl intern als auch extern. So finden wir gemeinsam Themen, diskutieren, wie und welche Botschaften wir setzen wollen. Im Blog greifen wir vor allem Themen auf, die für die Fahrgäste relevant sind. Das Motto lautet: Alles aus Sicht des Fahrgastes. Denn nur so erreichen wir Relevanz und Leser. Da ist es natürlich von Vorteil, dass ich auch täglicher Fahrgast der Hochbahn bin.
Hochbahn Blog: Alles aus Sicht des Fahrgastes
Sie veröffentlichen aktuell ein bis zweimal pro Woche einen neuen Blogbeitrag. Wie sieht der Redaktionsprozess dahinter aus?
Pia Gängrich: Einmal pro Woche haben wir eine Themensitzung mit der gesamten Unternehmenskommunikation. Dabei sprechen wir Themen detaillierter durch und legen sie fest. Außerdem machen wir einen Abgleich von Fokus und Botschaften mit der Social Media Redaktion, denn viele der Themen kommen auch direkt aus der Community Ich habe dann in punkto Freigabe als Blog-Verantwortliche das letzte Wort.
Wie lange brauchen Sie im Schnitt von der ersten Idee bis zum Go Live eines Blogposts? Und wie viele neue Beiträge halten Sie im „Stehsatz“ vor?
Pia Gängrich: Auf „Halde“ gibt es bei uns im Grunde nie etwas. Höchstens für meinen eigenen Urlaub bereite ich mal etwas vor. Ein Blogbeitrag dauert von der Idee bis zur Veröffentlichung im Schnitt 2 Tage. Nur sehr aufwendige Beiträge mit viel Recherche und z.B. Foto- oder Video-Produktion dauern mal länger. Und dann gibt es die Beiträge, die in wenigen Stunden stehen, beispielsweise dann, wenn wir Krisenkommunikation im Kleinen betreiben. Dann gibt es am Morgen die Idee und am Mittag ist der Beitrag online.

Herausforderung: Komplexe Fachthemen einfach erklären
Wie war das, als das Blog an den Start ging? Waren alle „Hochbahner“ sofort Feuer und Flamme für die Idee?
Pia Gängrich: Ehrlich gesagt, wussten viele glaube ich gar nicht, was ein Blog überhaupt ist. Vor allem das Thema Sprache war eingangs ein großes für die Fachabteilungen. Hier hat ein Lernprozess stattgefunden, dass auch komplexe Fachthemen vereinfacht und mit einfacher Sprache erklärt werden müssen. Inzwischen wird der Blogredaktion zweifellos Professionalität zugesprochen.
Sie könnten das Erstellen von Inhalten doch auch an einen Dienstleister outsourcen, um solche Diskussionen zu umgehen?
Pia Gängrich: Themenfindung und Text kann man nicht auslagern! Wir glauben daran, dass die Nähe des Texters zum Unternehmen unausweichlich ist. Er muss allerdings einen gewissen Grad an Unabhängigkeit und dadurch Authentizität haben. Der Experte bleibt der Experte. Die Blogredaktion ist (auch mal kritischer) Beobachter.
Die interne Akzeptanz bleibt eine wichtige Aufgabe für die Zukunft. Uns stellt sich vermehrt die Frage, ob interne und externe Welt — und die Content-Produktion dafür – nicht verschwimmen. Hier stehen wir aber am Anfang und haben oft noch separate Textbeiträge zum gleichen Thema. Bei Videomaterial nutzen wir oft schon dieselben Filme. Generell fordert die jeweilige Zielgruppe heute noch unterschiedliche Herangehensweisen an Textbeiträge und Dialog.
Kundendialog kümmert sich um Beschwerden auf dem Blog
Die Hamburger Hochbahn hat ja durchaus schon Erfahrung mit Shitstorms gesammelt. Haben Sie auf dem Blog mit negativen Kommentaren zu tun gehabt?
Pia Gängrich: Ja, aber wenig. Der Großteil der Leser ist an der Diskussion interessiert und bringt sich entsprechend sachlich ein. Bei uns lautet die Devise vor allem: Keine Zensur. Wir versuchen, offene und ehrliche Antworten zu geben, auch mit Unterstützung von Fachabteilungen. Meist sind die negativen Kommentare Beschwerden, die ohnehin im Blog an der falschen Stelle sind. Diese werden freigeschaltet, aber mit dem Hinweis auf den Kundendialog, das ist das Beschwerdemanagement der Hochbahn, beantwortet. Das funktioniert gut.
Das Hochbahn Blog ist aktuell sehr stark von Ihnen als „Embedded Reporterin“ und Blog-Verantwortliche geprägt. Soll das so bleiben oder planen Sie eine Erweiterung des Autorenteams?
Pia Gängrich: Der Kern wird wahrscheinlich immer eine einzelne Person bleiben. Aber ja, wir denken an die Erweiterung. Gerade haben wir unseren Historiker gewinnen können, der den Zusammenhang von Vergangenem und Zukunft herstellen soll. Dazu laufen Gespräche mit Kollegen unseres Sicherheitsdienstes und den Fahrkartenprüfern und auch Kolleginnen und Kollegen, die bei uns Bus fahren. Diese sollen dann genau die Themen besetzen, wo meine Perspektive schwächer ist und damit weniger authentisch.
Vermarktung: Pressemeldung inklusive Blogpost funktioniert
LeserInnen kommen bekanntlich nicht von allein auf ein Unternehmensblog. Welche Strategien haben sich bei der Blog-Vermarktung für Sie bewährt?
Pia Gängrich: Zum Beispiel die Verlinkung von passenden Blogbeiträgen in Pressemitteilungen, in E‑Mails und im Fahrgastfernsehen. Hier findet eine thematische Verknüpfung statt. Ein Thema wird im Fahrgastfernsehen sowieso gespielt und die tiefergehende Info im Blog angeteasert. Blogbeiträge finden sich teilweise auch auf der Startseite von hochbahn.de. Die Entscheidung dafür liegt beim Kanalverantwortlichen aus dem Marketing. Pressemitteilungen funktionieren unserer Erfahrung nach dann gut, wenn sie einen zusätzlichen Mehrwert bieten. Dann haben wir schon erlebt, dass die Blogbeiträge mit in Berichterstattung aufgenommen wurden. Die beste Vermarktung erfolgt aber definitiv über unsere eigenen Social-Media-Kanäle. Hier holen wir die Reichweite her. Eine Win-Win-Situation: Gute Reichweiten der Postings auf den Social-Media-Kanälen und Leser aus der Community für mich im Blog.
Blog Performance: Bis zu 30.000 monatliche Visits
Stichwort „Fremdbloggen“: Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, auch auf anderen Plattformen zu bloggen?

In diesem Sommer startet der XING-Kanal der Hochbahn. Hier werden wir testen, wie die Blogbeiträge zu strategische Unternehmensthemen oder Personalthemen auf dieser Plattform performen. Derzeit liegen uns dazu noch keine Erkenntnisse vor.
Wie messen Sie die Performance Ihres Blogs?
Pia Gängrich: Es gibt ein Monatsreporting, das an die Vorstände und die Bereiche Unternehmenskommunikation und das Marketing geht. Hier finden sich vor allem „harte“ Zahlen der Kanäle Blog, Facebook und Twitter, also Nutzerzahlen und Reichweiten.
Dazu gibt es ein Quartalsreporting, das themenbezogen erstellt wird. Hier findet sich neben den Zahlen vor allem die strategische Ausrichtung der Beiträge und das Zusammenspiel der Kanäle wieder. So wird hier gezeigt, wie ein Thema aus Social Media zu einem Blogbeitrag wird und von dort den Weg in die klassischen Medien schafft.
Insgesamt gilt: Wir sind im Blog nicht sehr zahlengetrieben. Es gibt keine „Muss-Vorgaben“. Im Vordergrund steht der Dialog und die Vermittlung der Kernaussage – auch über die Teaser der Blogbeiträge bei Facebook und Twitter und den dortigen Dialog.
Verraten Sie uns die Zahl der monatlichen Visits auf Ihrem Blog?
Pia Gängrich: Das ist stark themenabhängig. Die letzten Monate liegt die Zahl aber immer zwischen 25.000 und 30.000.
„Man muss sich dem Dialog stellen, auch wenn es mal weh tut“
Die Umsetzung der neuen EU-Datenschutz-Grundverordnung hat die Blogosphäre in diesem Jahr in Atem gehalten. Hat die DSGVO auch Ihrer Redaktion Kopfzerbrechen und Mehrarbeit bereitet?
Pia Gängrich: Das war natürlich ein Thema. Wir mussten Anpassungen an unserem Newsletter vornehmen und auch ein besonderes Augenmerk auf alle möglichen Plug-Ins werfen, die wir auf dem Blog verwenden. Dazu wurde unsere Datenschutzerklärung von unserem Datenschutzbeauftragten natürlich angepasst. Das lief aber einheitlich für alle Kanäle, die die Hochbahn bespielt.
Worauf sind Sie besonders stolz, wenn Sie als Blog-Verantwortliche auf die vergangenen vier Jahre blicken?
Vor allem auf die Leser. Wir haben es geschafft, dass die ÖPNV-Interessierte Öffentlichkeit das Blog besucht. Anders als bei Facebook sind jedoch keine „Pöbler“ auf dem Blog unterwegs. Der Dialog ist sachlich und respektvoll. Ein „Auskotzen“, wie es oft auf Social Media der Fall ist, gibt es hier sehr selten.
Last but not least: Welche drei Erfolgsfaktoren sollten Blogverantwortliche vor allem im Blick haben?
- Eine authentische Redaktion
- Eine ehrliche, auch mal (selbst-) kritische Themenauswahl
- Einen offenen und ehrlichen Dialog. Das bedeutet: Fragen werden wirklich beantwortet und nicht mit Phrasen abgewimmelt. Man muss sich dem Dialog stellen, auch wenn es mal weh tut und Leser nicht unserer Meinung sind
Vielen Dank, Frau Gängrich!
Titelbild: Hamburger Hochbahn
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