„Relations“? Wann ist dieser Begriff eigentlich aus der ganzen Influencer-Diskussion verschwunden? Eine Frage, über die ich kürzlich mit Falk Hedemann diskutiert habe.
Die Blogger waren die ersten Influencer-Gruppe im Netz, die für die Unternehmenskommunikation interessant wurden. Die sogenannten „Blogger Relations” entstanden schon vor einigen Jahren. Ein frühes Beispiel dafür war dieses Event der Gothaer Versicherung. Blogger Relations werden auch weiterhin und durchaus immer professioneller von Unternehmen fortgeführt. Das zeigen aktuelle Ansätze wie „Travellers Insights“ vom Münchener Flughafen oder #farmlife von AEG.
Influencer Marketing: Gekaufte Reichweiten
Doch die Disziplin wurde quasi rechts überholt, als die Youtuber, nicht lange danach die Instagramer und weitere wie Snapchat-Nutzer richtig groß wurden. Sie erreichen ihre (jungen) Zielgruppen über Videos und bunte Bilderwelten. Und haben enormen Reichweiten dank Followerzahlen, die in die Millionen gehen.
So gerieten die neuen Influencer ins Visier der Marketers. Schließlich waren das endlich mal Kriterien, die auch Werber verstehen können die auch für Werber relevant sind. 😉 Dazu kommt: Marketing hat bekanntlich ein Problem mit der sinkenden Wirksamkeit seiner (Online-)Werbemaßnahmen. Und traditionell sehr viel mehr Geld als die Kollegen von der Unternehmenskommunikation.
Den Marketers kamen die vielen jungen und hippen Influencer aus dem Netz recht. Diese lassen sich inzwischen wie Anzeigen über große Agenturen und sogenannte Netzwerke buchen. Dieser Umstand trifft sich gut, denn gerade große Unternehmen denken nur von Quartal zu Quartal und wollen sich an nichts und niemanden lange binden.
So hat sich Marketing das Thema offenbar weiträumig unter den Nagel gerissen. Es entstand das vermeintliche Eldorado „Influencer Marketing”. OK, in der Folge werden die Diskussionen um Schleichwerbung, gefakte Reichweiten etc. immer lauter — aber wo gehobelt wird, fallen nun einmal Späne.
Tja, und so verschwindet das Wörtchen „Relations“ still und leise von der Bildfläche. Schade! Ich bin überzeugt, dass Unternehmen in der Zusammenarbeit mit Influencern mit einem langfristigen Ansatz, der ja in aller Regel die Natur von menschlichen Beziehungen ausmacht, besser fahren.
Drei gute Gründe für das Wörtchen „Relations“
Beziehungsaufbau ist tragfähiger als Werbung über Dritte: Ich lasse andere gegen Geld sagen, wie toll ich bin. Kann ich machen, ist ja auch vom Prinzip her eigentlich nicht ganz neu. Aber es geht auch besser: Kürzlich durfte ich in einem Kunden-Workshop erleben, wie ein Team aus Kommunikatoren und Marketers ein sehr angeregtes und tiefgehendes Gespräch mit einem eingeladenen jungen Blogger führte und gar nicht mehr aufhören wollte. Hinterher dachte ich: „Relations“ — das zündet genau dann, wenn sich Menschen aus Unternehmen und Influencer auf Augenhöhe kennenlernen, begegnen und verstehen lernen.
Glaubwürdigkeit kommt nicht von gekauften Reichweiten: Wenn es gemeinsam gelingt, ein solches Fundament zu legen und dann eine Zusammenarbeit zu starten, die für beide Seiten fruchtbar ist und einen echten Mehrwert hat, trägt die Beziehung langfristig. Wenn man sich kennt und transparent miteinander umgeht, wächst die Glaubwürdigkeit. Dadurch wiederum gewinnt das Unternehmen in seinen Influencern starke Fürsprecher. Das kann nicht zuletzt in Krisenzeiten Gold wert sein, wenn Influencer ihr Wort mit in den Waagschale werfen, weil sie das Unternehmen gut kennen. Eine Glaubwürdigkeit, die kein Statement von Seiten des Unternehmens bewirken könnte.
Nachhaltige Kommunikation wirkt tiefer als Kampagnendenken: Kampagnen kommen und gehen — wie die Geschäftsquartale. Beziehungen aber lassen sich nicht an- oder ausknipsen. Deshalb ist es auch so wichtig, dass Unternehmen die Beziehung zu ihren Influencern nicht an Dritte delegieren, sondern sich höchselbst und vor allem über die Zeit um deren Pflege kümmern. Warum das so schwierig sein soll, verstehe ich häufig nicht. Es ist erstens gut investiertes Geld, und zweitens macht es Spaß, denn es geht um die Zusammenarbeit mit Menschen. In der klassischen Öffentlichkeitsarbeit hat das doch auch immer hervorragend funktioniert.
Note to all of us: Mal wieder das Cluetrain Manifest lesen!
Fazit: Der Anspruch, im Netz einen Dialog auf Augenhöhe miteinander zu suchen und zu führen, scheint mehr und mehr zu schwinden. Stattdessen tritt im großen Stil die alte Werbedenke wieder in den Vordergrund — sei es in der Diskussion um Content Marketing, Corporate Blogs oder eben um Influencer Relations.
Ich finde, wie sollten wir alle die — hoffentlich etwas stilleren — Weihnachtstage dafür nutzen, das Cluetrain Manifest und damit auch unsere ursprünglichen Hoffnungen und Ideale in punkto (Online-)Kommunikation neu zu entdecken. Nicht, weil wir uns dann „heiliger“ fühlen, sondern weil wir damit langfristig so viel mehr erreichen können!
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